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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle
Autoren: Kurd Laßwitz
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durchfliegen; sobald die Explosion erfolgt ist, was binnen zwölf Minuten geschehen muß, wird ihn mein Geschoß in zehn Sekunden durcheilen. Ich treffe dich noch!“
    Er kreuzte die Arme über der Brust und lehnte sich stumm zurück; sein Puls schlug rascher, und seine Augen funkelten unheimlich; unverwandt beobachtete er das Manometer, das höher und höher stieg.
    „Gegen das Weltgesetz!“ sagte er. „Ja, ich bin es jetzt, der ihm Trotz bietet – meine letzte Tat ist getan, es habe seinen Lauf!“
    Kotyledo flog mit der größten Geschwindigkeit aufwärts, die seine Schraube gestattete, dennoch mußte er sich sagen, daß die Explosion ihn noch im Tunnel erreichen müsse. Da kam ihm ein Gedanke. Er stürzte sich auf die nächsten Hähne der Sauerstoffleitung, die er zu erreichen vermochte, und drehte sie zu. Es waren freilich nur die Hähne der Nebenleitungen, die er abzusperren vermochte; die wichtige Hauptleitung blieb ihm unzugänglich. Aber er konnte sich sagen, daß er Zeit gewonnen habe; der Zufluß war doch vermindert – noch elf Minuten, und er war gerettet. Die Tunnelwände schossen an ihm vorüber, die an den Seiten angebrachten elektrischen Lampen bildeten eine einzige Lichtlinie für seine rasende Bewegung – da leuchtete der erste Strahl des Tageslichtes von oben, und wenige Sekunden später schoß er aus der Öffnung des Tunnels heraus.
    Der Luftwagen mit Lyrika hielt in der Nähe; er sprang hinein, und ohne sich Zeit zur Erholung zu gönnen, lenkte er das Gefährt aus der gefährlichen Nähe des Tunnels.
    Zwei Minuten darauf ertönte ein betäubender Knall. Es war die von der hinausgeschleuderten Arbeitskammer zusammengepreßte Luft, welche sich an der Öffnung des Tunnels ausdehnte und weithin alles niederwarf. Dann folgte eine Feuersäule, die mehrere Meilen hoch in die Lüfte stieg, Wolken von zertrümmertem Gestein mit sich führend. Von der Arbeitskammer konnte man natürlich nichts sehen – sie blieb verschwunden.
    Der Zentraltunnel war zu einem feuerspeienden Vulkan geworden, der einen seiner Steine bis in die Nähe des Luftwagens warf, in welchem Lyrika und Kotyledo im Schütze eines Felsenvorsprungs den ersten Stoß abwarteten. Lyrika hob ihn auf, es war ein glänzender Rubin von der Größe einer Kokosnuß. Atoms letzter Gruß – er flog zur Sonne.
    Am Abend wandelten die Neuvermählten in den duftenden Gärten von Rampur; der Mond glänzte in den Fluten des Satledsch und auf den Schneegipfeln des Himalaja.

 
Unser Recht auf Bewohner anderer Welten
     
    (ZUERST ERSCHIENEN FRANKFURTER ZEITUNG, 16.10.1910, EINEN TAG VOR DEM TOD DES VERFASSERS.)
     
    Seitdem die Wissenschaft unwiderleglich die Erde zu einem Planeten, die Sterne zu Sonnen wie die unsere gemacht hat, seitdem können wir unsere Blicke nicht zum Sternenhimmel erheben, ohne mit Giordano Bruno daran zu denken, daß auch auf jenen unzugänglichen Welten lebende, fühlende, denkende Geschöpfe wohnen mögen. Es muß geradezu sinnlos erscheinen, daß in der Unendlichkeit des Weltalls unsere Erde der einzige Träger von Vernunftwesen geblieben sein sollte. Die Weltvernunft verlangt notwendig auch unendliche Stufen vernunftbegabter Weltenbewohner.
    Dazu kommt die tiefe und unauslöschliche Sehnsucht, nach besseren und glücklicheren Zuständen, als die Erde sie bietet. Wir träumen von einer höheren Kultur, aber wir möchten sie auch kennenlernen nicht bloß als eine Hoffnung auf ferne Zukunft. Wir sagen uns, was einst die Zukunft der Erde bringen kann, das muß bei der Unendlichkeit der Zeit und des Raumes auch jetzt schon irgendwo verwirklicht sein. Wo sollen wir solche überlegene Kulturwesen anders finden als auf einem begünstigteren Planeten?
    Aber die wissenschaftliche Erkenntnis läßt uns hier im Stiche. Sie zeigt uns nur die Weltkörper. Von ihren Bewohnern weiß sie nichts und will sie auch nichts wissen. Denn sie bedarf nach unserer gegenwärtigen Erfahrung dieser Hypothese nicht. Es sind in der Tat andere Motive als theoretische, die uns die Frage nach den Bewohnern fremder Welten immer wieder lebendig machen, es sind andre, nicht minder wertvolle Realitäten des menschlichen Bewußtseins als die Wissenschaft, von denen wir eine Erörterung dieser Frage fordern dürfen. Die Gebiete, an die wir uns hier zu wenden haben, sind die Dichtung und die Weltauffassung.
    Doch auch in diesen Gebieten ist die Phantasie keineswegs völlig frei in bezug auf die Vorstellungen, die wir uns über die Bewohner anderer Weltkörper
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