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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger
Autoren: Marlo Morgan
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ihre seltsam blasse Haut immer brauner wird. Die weißen Haare auf ihrem Kopf wachsen sich aus, und schönes braunes Haar hat sich nun dort verankert. Aber ihre eigenartige Augenfarbe konnten wir nicht beeinflussen.
    Wir haben dieser >Veränderten< viel beigebracht, und wir haben auch von ihr gelernt. So scheint es bei den >Veränderten< etwas zu geben, das sie Soße nennen. Auch sie kennen die Wahrheit, doch sie liegt unter einer dicken Schicht aus Bequemlichkeit, Materialismus, Unsicherheit und Angst begraben. Dann gibt es bei ihnen noch etwas, das sie Zuckerguß nennen. Dieser Zuckerguß ist ein Symbol dafür, daß sie fast jede Minute ihres Lebens mit Dingen vergeuden, die oberflächlich, künstlich, kurzweilig und von angenehmem Geschmack und Äußeren sind. Für die Entwicklung ihrer ewigen Wesen haben sie nur wenige Sekunden übrig.
    Wir haben diese >Veränderte< erwählt, und jetzt geben wir sie frei wie einen Vogel. Wir lassen sie aus ihrem Nest aufsteigen. Sie soll weit und hoch fliegen und schreien wie ein Kookaburra. Allen, die sie hören, soll sie sagen, daß wir diese Welt verlassen.
    Wir wollen nicht über die >Veränderten< richten. Wir beten für sie und entlassen sie in diese Welt, so wie wir für uns beten und uns in die Ewigkeit entlassen. Wir beten, daß sie ihre Handlungsweisen und Werte genauer betrachten und lernen, daß alles Leben eins ist, bevor es zu spät ist. Wir beten, daß sie damit aufhören, die Erde und sich selbst zu zerstören. Wir beten, daß es genug >Veränderte< gibt, die kurz davor stehen, zu wahren Menschen zu werden. Nur dann kann sich noch etwas ändern. Wir beten, daß unsere Botin in der Welt der Veränderten gehört und erhört wird. Ende der Botschaft.«
    Die Seelenfrau lief ein Stück mit mir, und als die Sonne durch die Dämmerung brach, deutete sie auf die Stadt, die sich vor uns ausbreitete. Die Zeit war gekommen: Ich sollte in die Zivilisation zurückkehren.
    Die stechenden schwarzen Augen im runzeligen Gesicht der Seelenfrau waren auf die Ebene unter dem Felsen gerichtet, und sie sagte etwas in der seltsam barsch klingenden Ureinwohnersprache. Dies war also der Morgen des Abschieds - der Stamm entließ mich, und ich entließ meine Lehrer. Hatte ich ihre Lektionen auch richtig gelernt? Die Zeit würde es zeigen. Würde ich mich an alles erinnern? Eigenartigerweise machte ich mir mehr Sorgen darüber, ob ich ihre Botschaft auch richtig vermitteln konnte, als darüber, wie mich die australische Gesellschaft wieder aufnehmen würde. Wir kehrten zur Gruppe zurück, und jedes einzelne Stammesmitglied verabschiedete sich von mir. Wir tauschten die Abschiedsgeste aus, die auf der ganzen Welt unter Freunden üblich ist - eine Umarmung.
    Ooota sagte: »Wir konnten dir nichts geben, was du nicht schon längst hattest. Aber auch wenn wir dir nichts gegeben haben, glauben wir doch, daß du gelernt hast, wie man Dinge annimmt, wie man empfängt und wie man etwas hinnimmt. Das ist unser Geschenk.« Der Königliche Schwarze Schwan nahm noch einmal meine Hände in die seinen. Ich glaubte Tränen in seinen Augen zu sehen, und ich spürte sie in meinen eigenen Augen. »Ich bitte dich - meine Freundin, verliere niemals deine beiden Herzen«, sagte er, und Ooota übersetzte es mir. »Du bist mit zwei offenen Herzen zu uns gekommen. Jetzt sind sie angefüllt mit Verständnis und Mitgefühl für beide Welten - unsere und die deine. Auch mir hast du ein zweites Herz geschenkt. Ich weiß und verstehe jetzt Dinge, die weit über das hinausgehen, was ich mir jemals vorstellen konnte. Immer werde ich das Andenken an unsere Freundschaft bewahren. Gehe in Frieden, unsere Gedanken werden dich beschützen.« Seine Augen schienen von innen zu leuchten, als er nachdenklich hinzufügte: »Wir werden uns wiedertreffen, ohne die Last unserer Menschenkörper.«

30 • Ein Happy-End?
    Als ich die »Wahren Menschen« verließ, wußte ich, daß mein Leben nie wieder so einfach und doch so sinnvoll sein würde wie in diesen letzten paar Monaten. Ein Teil von mir würde sich immer dorthin zurückwünschen .
    Für den Weg bis in die Stadt brauchte ich fast den ganzen Tag. Wie ich von dort in meine Stadt und in mein Haus kommen sollte, war mir noch völlig schleierhaft. Ich sah eine Schnellstraße, aber weil ich mich nicht traute, an ihr entlangzuwandern, setzte ich meinen Weg durch den Busch fort. Irgendwann drehte ich mich um und blickte zurück, und genau in diesem Moment kam aus dem Nichts ein
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