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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger
Autoren: Marlo Morgan
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daß wir lernen, materiellen Besitz anders zu bewerten und entsprechend damit umzugehen. Auch sie glauben, daß die Menschheit einem paradiesischen Zustand noch nie so nahe war wie jetzt. Wir haben die Technologien, Nahrung für alle Menschen in der Welt zu beschaffen. Wenn wir nur wollten, könnte jeder Mensch auf dieser Welt alles haben, was er braucht: die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und zu achten, ein Dach über dem Kopf und vieles mehr.
    Ermutigt und unterstützt von meinen Kindern und engen Freunden, begann ich meine Erfahrungen im Outback niederzuschreiben. Auch kam ich den vielen Einladungen zu Vorträgen nach. Ich sprach vor öffentlichen Organisationen, in Gefängnissen, Kirchen, Schulen und so weiter. Die Reaktionen waren gespalten.
    Der Ku-Klux-Klan erklärte mich zur Feindin, eine andere weiße Rassistenvereinigung aus Idaho versah während meiner Vorträge alle Autos auf den Parkplätzen mit ihren Hetzschriften. Die Anhänger einer ultrakonservativen christlichen Sekte verkündeten mir nach einem meiner Vorträge, alle Völker im Outback seien Heiden und für die Hölle bestimmt. Vier Mitarbeiter einer der führenden Forschungssendungen im australischen Fernsehen flogen in die USA, versteckten sich vor einem meiner Vorträge in einem Schrank und versuchten alles, was ich sagte, in Frage zu stellen. Sie glaubten sicher zu sein, daß kein einziger Aborigine der Volkszählung entgangen war und einfach wild im Busch lebte. Sie bezeichneten mich als Betrügerin.
    Doch irgendwann trat ein wunderbares Gleichgewicht ein. Im Ausgleich für jeden bösen Kommentar gab es immer einen anderen Zuhörer, der unbedingt mehr über mentale Telepathie lernen oder erfahren wollte, wie man statt Waffen Illusionskunst einsetzt. Es gab Leute, die einfach alles über die Werte und Gebräuche der »Wahren Menschen« hören wollten.
    Oft werde ich gefragt, wie diese Erfahrung mein Leben verändert hat. Meine Antwort lautet: grundlegend. Kurz nachdem ich nach Amerika zurückgekehrt war, verstarb mein Vater. Ich war bei ihm, hielt seine Hand und gab ihm für seine Reise meine Liebe und meinen Beistand mit auf den Weg. Am Tag nach der Beerdigung bat ich meine Stiefmutter um ein kleines Andenken an ihn - einen Manschettenknopf, eine Krawatte oder einen alten Hut. Sie verweigerte es mir.
    »Für dich gibt es nichts«, sagte sie. Statt verbittert zu reagieren, wie ich es früher vielleicht getan hätte, segnete ich in Gedanken nur die geliebte Seele und verließ das Haus meiner Eltern ein letztes Mal. Ich war stolz auf mich selbst, blickte in den klaren blauen Himmel und zwinkerte meinem Dad zu. Ich weiß, daß ich aus dieser Situation nichts gelernt hätte, wenn meine Stiefmutter liebevoll gesagt hätte:
    »Aber natürlich. Dieses Haus ist voll von Andenken an deine Eltern. Such dir etwas aus, das dich an deinen Vater erinnert.« So hatte ich es nämlich erwartet. Daran, daß man mir etwas verweigert hatte, was mir rechtmäßig zustand, war ich gewachsen, und ich erkannte, daß alles zwei Seiten hat. Die »Wahren Menschen« hatten mir gesagt, daß es nur eine Möglichkeit gebe, eine Prüfung zu bestehen; man mußte sich ihr stellen. Ich bin in meinem Leben an einem Punkt angelangt, an dem ich die Möglichkeit zu einer spirituellen Prüfung erkenne und wahrnehme, selbst wenn die Umstände erst einmal sehr negativ erscheinen. Man kann die Dinge wahrnehmen und beobachten, und man kann sein Urteil über sie abgeben. Heute kann ich zwischen diesen beiden Dingen unterscheiden. Ich habe gelernt, daß wir aus allem einen spirituellen Gewinn ziehen können.
    Vor kurzem wollte mich jemand, der meinen Vortrag gehört hatte, einem Mann aus Hollywood vorstellen. Es war ein kalter, verschneiter Januarabend in Missouri.
    Wir gingen zusammen essen, und ich redete mehrere Stunden am Stück, während Roger und die anderen Gäste aßen und Kaffee tranken. Am nächsten Morgen rief er bei mir an, um mit mir über die Möglichkeiten zu einem Film zu reden.
    »Wo sind Sie gestern abend geblieben?« fragte er.
    »Wir haben die Rechnung gezahlt, unsere Mäntel geholt und uns voneinander verabschiedet, als plötzlich jemandem auffiel, daß Sie verschwunden waren. Wir haben Sie draußen gesucht, aber Sie waren einfach verschwunden; es gab noch nicht einmal eine Spur im Schnee!«
    »Ja«, erwiderte ich. Meine Antwort stand vor mir, als wäre sie in feuchten Beton geschrieben: »Ich habe vor, das, was ich im Outback gelernt habe, für den Rest
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