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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger
Autoren: Marlo Morgan
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Erde.« Unsere Gier nach technischem Fortschritt hat eine tiefliegende Unwissenheit aufgedeckt, die eine ernsthafte Bedrohung für alles Leben darstellt. Es ist eine Unwissenheit, der nur entgegengewirkt werden kann, wenn wir uns vor der Natur verbeugen. Die »Wahren Menschen« haben sich das Recht verdient, ihre Rasse auf diesem bereits übervölkerten Planeten nicht länger fortbestehen zu lassen. Seit Anbeginn der Zeiten sind sie ein ehrliches, aufrechtes und friedliebendes Volk, das seine enge Verbindung mit dem Universum nie in Frage gestellt hat.
    Es war mir völlig unverständlich, daß sich von all den Menschen, mit denen ich sprach, niemand für das Wertesystem der Aborigines interessierte. Mir war klar, daß der Versuch, das Unbekannte und Andere zu begreifen, auch eine Bedrohung darstellte. Aber ich bemühte mich zu erklären, daß dies unser Bewußtsein erweitern konnte. Viele Probleme in unserer Gesellschaft könnten so gelöst werden, ja sogar Krankheiten ließen sich heilen. Ich traf auf taube Ohren. Die Australier gingen in die Defensive. Selbst Geoff, der vor meiner Reise sogar schon vom Heiraten gesprochen hatte, konnte nicht akzeptieren, daß von einem Buschvolk irgendwelche Weisheiten kommen sollten.
    Er fand es wunderbar, daß ich so ein einmaliges Abenteuer erlebt hatte, und hoffte, daß ich nun Ruhe geben und an der Rolle, die man als Frau von mir erwartete, Geschmack finden würde. Irgendwann verließ ich dann Australien. Mein Gesundheitsvorsorge-Projekt war abgeschlossen, aber meine Geschichte von den »Wahren Menschen« war nicht erzählt. Die nächste Etappe meiner Lebensreise wurde offensichtlich nicht von mir selbst, sondern von einer höheren Macht gesteuert.
    In dem Flugzeug, das mich in die USA zurückbrachte, begann der Mann neben mir eine Unterhaltung. Er war ein Geschäftsmann mittleren Alters mit einem jener Wohlstandsbäuche, die zum Platzen reif scheinen. Wir plauderten über alle möglichen Themen und schließlich auch über die australischen Ureinwohner. Ich erzählte ihm von meinen Erlebnissen im Outback. Er hörte mir aufmerksam zu, aber mit seiner abschließenden Bemerkung faßte er all die Reaktionen, die ich erfahren hatte, zusammen: »Na ja, schließlich hat bisher niemand gewußt, daß diese Menschen überhaupt existieren«, sagte er, »was macht es also, wenn sie verschwinden? Offengestanden glaube ich nicht, daß dies irgend jemandem Kopfzerbrechen bereiten wird. Und außerdem heißt es ihre Vorstellungen gegen unsere. Und kann eine ganze Völkergemeinschaft unrecht haben?«
    Mehrere Wochen lang lag mein Andenken an die wunderbaren »Wahren Menschen« in Geschenkpapier gewickelt und versiegelt fest in meinem Herzen und hinter meinen Lippen. Diese Menschen hatten mein Leben so tiefgehend berührt und beeinflußt, daß ich fast glaubte, »Perlen vor die Säue zu werfen«, wenn ich die negativen Reaktionen riskierte, die ich erwarten mußte. Mit der Zeit erkannte ich jedoch, daß meine alten Freunde echtes Interesse hatten. Einige baten mich, Vorträge über meine einzigartige Erfahrung zu halten. Die Reaktion war immer die gleiche: Mein Publikum war gefesselt. Die Menschen erkannten, daß man zwar einmal Getanes nicht mehr rückgängig machen kann, aber daß man etwas ändern kann.
    Es stimmt, die »Wahren Menschen« verlassen den Planeten, aber uns bleibt ihre Botschaft - trotz unseres Soßen- und Zuckerguß-Lebensstils. Wir wollen die »Wahren Menschen« nicht am Gehen hindern und sie überreden, wieder Kinder in die Welt zu setzen. Das geht uns nichts an. Wir sollten uns aber bemühen, ihre friedliebenden, sinnvollen Werte in unser Leben zu integrieren. Ich weiß, daß jeder von uns zwei Leben hat: eins, um zu lernen, und eins, in dem wir das Gelernte anwenden. Es ist an der Zeit, dem angsterfüllten Stöhnen unserer Brüder und Schwestern Gehör zu schenken - und der Erde, die sich in Schmerzen windet.
    Vielleicht läge die Zukunft der Welt in besseren Händen, wenn wir endlich Abstand davon nehmen würden, ständig Neues zu entdecken, und uns statt dessen auf unsere Vergangenheit besännen. Der Stamm der »Wahren Menschen« kritisiert unsere modernen Erfindungen nicht, denn für sie ist das menschliche Dasein eine Erfahrung, die von Selbstverwirklichung, Kreativität und Abenteuer geprägt ist. Aber sie sind der Ansicht, daß wir »Veränderten«
    bei unserem Wissensdurst einen Satz beachten müssen: »Wenn es zum Besten allen Lebens auf der Welt ist.« Sie hoffen,
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