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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger
Autoren: Marlo Morgan
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aßen dankbar eine wunderbare Mahlzeit.
    Als ich mich an diesem Abend ohne den Komfort eines Dingofells zum Schlafen legte, mußte ich an ein berühmtes Gebet denken: »Lieber Gott, bitte laß mich das, was ich nicht ändern kann, gelassen hinnehmen. Gib mir Mut, das zu ändern, was ich ändern kann, und gib mir die Weisheit, zwischen beiden Dingen zu unterscheiden.«

28 • Die Taufe
    Nach dem Gewitterregen sprossen überall Blumen hervor. Wo die Landschaft vorher nur trostlose und unfruchtbare Steppe gewesen war, breitete sich jetzt ein farbenprächtiger Teppich aus. Wir gingen auf Blumen, aßen Blumen und schmückten uns mit Girlanden aus Blumen. Es war einfach herrlich.
    Wir näherten uns jetzt der Küste und ließen die Wüste hinter uns. Mit jedem Tag wurde die Vegetation üppiger. Die Pflanzen und Bäume wurden immer größer und zahlreicher. Es gab Nahrung im Überfluß und ein breitgefächertes Angebot an Samen, Sprossen, Nüssen und Wildfrüchten, die ich bisher noch nicht kennengelernt hatte. Einer der Männer kerbte einen Baumstamm ein. Wir hielten unsere neuen Blasengefäße daran, und ich konnte sehen, wie das Wasser aus dem Baum direkt in den Behälter lief. Erstmals hatten wir die Gelegenheit, Fische zu fangen. Noch heute kann ich mich an den wunderbaren Räuchergeschmack erinnern. Wir fanden auch zahlreiche Eier von Reptilien und Vögeln.
    Eines Tages kamen wir an einem herrlichen natürlichen Wasserbecken vorbei. Den ganzen Tag hatten sie mich schon damit geneckt, daß sie eine ganz besondere Überraschung für mich hätten, und das war es wirklich. Das Wasser war klar und tief. Ein Fluß hatte an dieser Stelle ein großes, steinernes Becken gebildet, das von dichtem Gebüsch umgeben war. Die Atmosphäre war fast wie in einem Dschungel. Wie meine Reisegefährten schon geahnt hatten, war ich begeistert. Das Becken war groß genug, um ausgiebig darin schwimmen zu können, also fragte ich um Erlaubnis, dies zu tun. Sie baten mich um Geduld. Die Bewohner dieses Territoriums würden mir die Erlaubnis geben oder verwehren. Mit dem entsprechenden Ritual baten die Stammesangehörigen darum, das Wasserbecken benutzen zu dürfen. Während sie noch sangen, begann sich die Wasseroberfläche zu kräuseln. Irgend etwas schien sich in der Mitte des Beckens in Bewegung zu setzen und langsam auf das uns entgegengesetzte Ufer zuzusteuern. Dann tauchte plötzlich ein langer, flacher Kopf auf, dem der rauhe Körper eines fast zwei Meter langen Krokodils folgte. Ich hatte völlig vergessen, daß es Krokodile überhaupt gab. Der Gesang lockte ein weiteres Exemplar an die Oberfläche, und dann krochen beide Tiere aus dem Wasser und verschwanden im Gebüsch. Als sie mich jetzt ermunterten, schwimmen zu gehen, hatte meine ursprüngliche Begeisterung merklich nachgelassen.
    »Seid ihr auch sicher, daß alle draußen sind?« fragte ich telepathisch. Wie konnten sie sicher wissen, daß es nur zwei Krokodile waren? Sie machten mir Mut, indem sie mit einem langen Ast im Wasser herumstocherten. Aus der Tiefe kam keinerlei Reaktion. Sie stellten einen Wachposten auf, der uns warnen sollte, falls die Krokodile zurückkamen, und dann gingen wir alle schwimmen. Wie erfrischend es war, im Wasser herumzuplanschen und sich einfach treiben zu lassen! Seit Ewigkeiten hatte sich mein Rückgrat nicht so vollständig entspannen können. So eigenartig dies auch klingen mag, bedeutete die Tatsache, daß ich so furchtlos in das Krokodilbecken eingetaucht war, für mich eine Art zweite Taufe. Ich hatte keine neue Religion entdeckt, sondern grenzenloses Vertrauen.
    Wir schlugen unser Lager nicht neben dem Wasserbecken auf, sondern setzten unsere Tagesreise weiter fort. Als wir noch einmal einem Krokodil begegneten, war es ein viel kleineres Tier. An der Art und Weise, in der es uns über den Weg lief, erkannte ich, daß es uns sein Leben schenken wollte, um uns zu speisen. Krokodilfleisch essen die »Wahren Menschen« nur sehr selten. Sie empfinden die Verhaltensweisen dieses Reptils als aggressiv und boshaft, und die Schwingungen des Fleisches könnten sich mit ihren eigenen Schwingungen vermischen. Menschen, die Krokodilfleisch aßen, hatten möglicherweise Probleme damit, friedlich und gewaltlos zu bleiben. Wir brieten auch Krokodileier, aber sie schmeckten einfach scheußlich. Doch wenn man das Universum bittet, Nahrung bereitzustellen, kann man nie voraussehen, was kommt. Man weiß nur, daß alles, als Ganzes betrachtet, seine Ordnung
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