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Trapez

Trapez

Titel: Trapez
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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vorsichtig neben Marios linker Schulter in Position. Seine Hände schwitzten etwas. Er griff nach dem Talkumbeutel, der an einen der Pfosten gebunden war und rieb seine Hände darum.
    Papa Tony und Angelo schwangen kopfüber nebeneinander und richteten ihre Schwünge identisch aus, wie zwei Uhrpendel. Mario und Tommy warteten nebeneinander. Ihre Hände lagen zur Stütze leicht auf der Schulter des anderen. Dann murmelte Mario: Jetzt! Sie fingen die Stange, vier Hände schlugen wie eine auf das raue Band. So einfach es jetzt war, erinnerte sich Tom doch an die langen Übungsstunden, die sie gebraucht hatten. Nur den Bruchteil einer Sekunde Unterschied, und die Stange würde zur Seite rutschen, ihr Schwung käme schief heraus. Heute war ein guter Tag. Sie schwangen zusammen hinaus, hart, geschmeidig und gerade und schnellten zusammen vom Trapez. Seine Hände klatschten gegen Papa Tonys Handgelenke, und er fühlte den Stoß in seinen Schultermuskeln und hörte mit halbem Ohr Angelo ausatmen, als Marios Gesicht auf ihn zukam.
    Tommy zählte im Geist, als sie schwangen. Eins, der Schwung. Zwei, sie schnellten zusammen los, ein Fall in den leeren Raum, der ihm immer noch vor Angst den Magen umdrehte. Sind wir gerade vom Trapez abgekommen? Hat es ein Windhauch zur Seite geweht, ohne dass jemand da ist, der es fängt und fallen lä ss t? Drei! Seine Hände griffen um die Stange, und er hörte Marios Handflächen neben seinen aufklatschen. Und das Gleichgewicht halten. Vier, ihre vier Füße trafen auf die Plattform, und ihre vier Hände machten eine schnelle, balancierende Bewegung, die aussah wie ein eleganter Schnörkel, der zum Applaus auffordern sollte.
    Tommy richtete sich heiß und zitternd auf. Schweiß rollte seine Schläfen runter. Jemand rief von unten herauf: »Gute Arbeit, Jungs.« Unten standen Big Jim Lambeth – der Bo ss , er machte seinem Spitznamen alle Ehre, einsneunzig groß und mit breitem Kreuz – und Margot Clane und applaudierten lachend. Überschwänglich drückte Mario kurz Tommys Schulter, bevor er sie losließ . Er murmelte: »Buon’ ragazzo«, und Tommy, der wu ss te, dass Mario nie in seine Muttersprache zurückfiel, außer wenn er wütend oder erfreut war, platzte vor Stolz.
    Unten sprach Jim Lambeth mit Mario: »Es war deine Idee, aus dem kleinen Zane einen Flieger zu machen, oder?«
    »Seine Idee auch. Er hat verdammt hart gearbeitet, Jim.«
    »Okay, versucht es, wenn ihr soweit seid. Diese Duo-Nummer sieht gut aus. In irgendeiner kleinen Stadt, wo es egal ist, ob er nervös ist und sie schmeißt .«
    »Das wird er nicht«, sagte Mario vertrauensvoll, »und ich möchte mit ihm in San Angelo anfangen, okay? Er hat Freunde da.«
    »Von mir aus. Du solltest nur lieber mit seinen Eltern sprechen, ja?«
    Tommy, der seine nackten Zehen in den Boden grub, hatte ein seltsames Gefühl im Magen. Sein Vater würde verstehen, wie er sich fühlte, bloß über ihn machte er sich keine Sorgen, sondern über seine Mutter; und sein Vater tat gewöhnlich, was s eine Mutter sagte. Schon mit 14 hatte er ein unbestimmtes Gefühl, dass sein Vater vielleicht angefangen hatte, Löwen und Tiger zu trainieren, um ab und zu seinen eigenen Willen zu bekommen.
    Tonio Santelli sagte bestimmt: »Ich werde selbst mit Elizabeth Zane sprechen.«
    Tommy entspannte sich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand , nicht einmal seine Mutter, mit Papa Tony streiten würde.
    Später stocherte Tommy in seinem Mittagessen herum, obwohl seine Mutter ein Huhn gebraten hatte. Er saß am Tisch in ihrem Wohnwagen, kaute nervös einen Keks, während sich sein Vater auf dem Sofa langmachte und eine Pfeife rauchte. Aber als Papa Tony an ihre Wohnwagentür klopfte, stand sein Vater auf und bat ihn herein.
    Dann schickte er Tommy weg mit der Erklärung: »Man hört nie etwas Gutes über sich selbst. Mach deine Arbeit mit Ma Leighty und wir unterhalten uns später.«

KAPITEL 2

Ma Leightys Wohnwagen stand dort, wo er immer war, gleich neben dem Sattelgang zur Manege. Ma Leighty – jeder, von Jim Lambeth bis zum kleinsten Kind in der Show, nannte sie Ma – war Garderobiere für die Zirkusnummern. Es hieß , sie sei einmal eine berühmte Kunstreiterin gewesen. Jetzt war sie siebzig, und nicht einmal ein Elefant könnte ihren gewaltigen Körper bequem tragen.
    Tommy war vier Jahre alt, als Ma ihn das erste Mal in ein winziges Uncle-Sam-Kostüm steckte und ihn auf den Rücken des ruhigsten Ponys setzte. Er konnte sich nicht daran
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