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Trapez

Trapez

Titel: Trapez
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Bradley
     

INHALT
     
    BUCH I
    Der Flieger
    1944-1947
     
    Intermission
    1947-1952
     
    BUCH II
    Der Fänger
    1952-1953
     

BUCH I
    Der Flieger
    1944-1947

KAPITEL 1

Immer wenn Tommy Zane in seinem Leben nach seiner frühesten Erinnerung gefragt wurde, hatte er nie einen Zweifel: es war, als sie das Hauptzelt des Zirkus Lambeth abbrannten.
    Lambeth war nicht »The Greatest Show on Earth«, bei weitem nicht. Soweit er wu ss te, war er wohl der kleinste der fahrenden Zirkusse gewesen, der meist in Dörfern und Kleinstädten im Mittleren Westen spielte. Tommy konnte sich nur sehr schwach daran erinnern, die Vorstellung unter dem Chapiteau gesehen zu haben. Er war damals so klein, dass er niemals in die Manege hinein durfte, nicht einmal bei den Proben, aus Angst, jemand könne auf ihn treten.
    Er erfuhr Jahre später, dass das Hauptzelt mitten in der Spielzeit 1935 so alt und abgenutzt war, dass es nicht einmal mehr gegen Feuer imprägniert werden konnte, und Jim Lambeth hatte sich entschieden, dass es zu gefährlich wäre und verbrannte es irgendwo in Oklahoma. Es war eine gute Werbung für die Show, damals während der Wirtschaftskrise, als der Eintritt einen Vierteldollar kostete, und es schwierig genug für die armen Farmer in der Gegend war, das Geld zusammenzukratzen, aber Tommy erinnerte sich daran, auf den Schultern seines Vaters zu sitzen, während er das Feuer sah. Die Flammen loderten 15 Meter hoch in die Luft. Er erinnerte sich daran, dass er angefangen hatte zu weinen, als das Feuer erlosch und als man ihn fragte, warum, konnte er es nicht sagen. Sein Vater sagte: »Die Aufregung, das ist alles«, und brachte ihn in ihrem Wohnwagen zu Bett. Das war früh am Abend gewesen, später in der Nacht, als er aufwachte und die gewohnte Zirkuskapelle und Big Jim Lambeth’ Stimme wie immer die Musik überdröhnen hörte, hatte sich der feste Knoten in seiner Brust gelöst. Er war glücklich eingeschlafen und wu ss te, dass der Zirkus wie gewöhnlich weitergehen würde. Als er das große Zelt brennen sah, hatte er gedacht, dass auch die Show zu Ende sei.
    Er war fünf Jahre alt in jenem Sommer. Danach hatten sie unter freiem Himmel gespielt, auf Festplätzen, in Stadien, Parks und auf freien Plätzen außerhalb der Städte. Die Winter schienen immer etwas unwirklich zu sein. Während seiner ganzen Kindheit stellte er sich immer wieder vor, dass sie, wenn der Zirkus im Herbst zusammenpackte, die Welt abstellten und wie Tiere in einem Zoo lebten, an einer Stelle eingesperrt, bis es Zeit wurde, wieder auf die Straße zu gehen und ihr richtiges Leben zu leben. Er fragte sich manchmal, ob sie auch das Publikum im Winter abstellten.
    Es war gegen Ende des Krieges und er war vierzehn Jahre alt, als er anfing zu verstehen, dass für die Leute draußen seine Welt die Illusion, die Fälschung, das nicht ganz Echte war.
    Tommy stand in den schmutzigen Sägespänen der Manege und beobachtete die Sonnenstrahlen auf dem Trapez; er wartete darauf, dass die Santellis ihre Morgen übungen beendeten.
    Fünfzehn Meter über ihm in dem Gewirr von Spanndrähten und schaukelnden Trapezen waren die drei Santellis – Angelo, der Fänger, und Mario und Papa Tony, die Flieger – mit ihrem Morgentraining beschäftigt.
    Tommy wartete, bis Mario auf der Plattform landete, die ihm am nächsten war.
    »Ich war mit Dad we gen der Post in der Stadt. Hab’ einen Brief für dich.«
    »Welcher Poststempel?« rief Mario hinunter.
    Tommy zog den Brief aus seiner Tasche und versuchte das Verschmierte zu entziffern. »San Francisco.«
    »Okay, dann bring ihn rauf.«
    Seine staubigen Tennisschuhe flogen durch die Luft und er kletterte flink wie ein Affe die Leiter hinauf. Er war klein und kräftig in jenem Sommer, geschmeidig und sehnig und seine Schultern waren überraschend breit für seine Größe . Er kletterte um den Vorsprung herum, wo sich die schmale Strickleiter um das stramm gespannte Sicherheitsnetz wand, und kam auf das fest verspannte Brett herauf, das breit genug für zwei oder drei Leute nebeneinander war, die Startplattform für die Flieger.
    Mario Santelli (für Tommy war er immer Mario Santelli, obwohl er seit Monaten wu ss te, dass es nicht sein richtiger Name war) stand dort mit einem Arm um ein Spannseil und wischte seine verschwitzte Stirn mit einem harzgetränkten Taschentuch. Er nahm den Brief und sagte: »Setz dich. Vielleicht kannst du ihn gleich wieder mitnehmen, wenn du runtergehst.«
    Am anderen Ende des Gerüsts hatte
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