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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Potter
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umdreht.
    »Lucy?«, keucht er und guckt ganz verdattert.
    Unsere Blicke treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde, und ich gucke nicht, wo ich hintrete, und auf einmal merke ich, wie ich das Gleichgewicht verliere und keinen Tritt fasse. Stolpernd und wild mit den Armen rudernd suche ich nach einem Halt, fasse aber nur ins Leere und merke entsetzt, wie ich anfange zu fallen …
    Ich höre einen Schrei, als ich ins Wasser klatsche. Oder bin ich das etwa selbst? Ich weiß es nicht. Plötzlich ist alles ganz verschwommen. Und dann schlucke ich Wasser und versuche zu schwimmen, schlage jedoch nur wild mit den Armen um mich und gehe langsam unter. Ich höre mein Herz in den Ohren pochen, spüre, wie Panik in meiner Brust aufsteigt. Oh Gott, ich ertrinke. Ich er…
    Unvermittelt, wie aus dem Nichts, packen mich zwei Arme, und ich werde aus dem Wasser gehievt und auf eine Gondel gewuchtet. Spuckend und hustend schnappe ich nach Luft, aber alles ist so unwirklich, wie ein Traum, als sähe ich die Welt nur noch ganz verschwommen durch einen Vaselinefilm.
Rundherum sehe ich Münder auf- und zuklappen, höre gedämpfte Stimmen, doch ich bringe keinen Ton heraus. Meine Lider werden immer schwerer. Meine Arme und Beine scheinen nicht mehr zu mir zu gehören. Die Welt weicht zurück.
    »Fare la respirazione bocca a bocca!« , ruft der Gondoliere immer wieder. »Fare la respirazione bocca a bocca!«
    »Mund-zu-Mund-Beatmung«, übersetzt eine Stimme. »Sie müssen Mund-zu-Mund-Beatmung machen.«
    Adams Gesicht erscheint über mir, in den goldenen Schein der untergehenden Sonne getaucht. Ich sehe, dass er nasse Haare hat, ihm Wasser in kleinen Bächen übers Gesicht läuft und wie besorgt er mich anschaut. Dann spüre ich, wie die Gondel in den Schatten eintaucht, als wir unter der Seufzerbrücke hindurchgleiten. Erschöpft schließe ich die Augen …
    Und dann spüre ich plötzlich Lippen auf meinen Lippen, einen Mund, der sich drängend auf meinen Mund presst. Jäh wachgerüttelt reiße ich die Augen auf und sehe Adam. Die Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben, und er hört auf, mich zu küssen, und schaut mich an. Für einen Augenblick starren wir einander bloß wortlos an, und eine Million unausgesprochener Fragen hängt zwischen uns in der Luft.
    Und dann höre ich es, ganz weit weg, ein sanftes, liebliches Läuten. Ich spitze die Ohren. Das sind doch nicht …? Sind das etwa …?
    »Glocken« , flüstere ich, und Adam schaut mich fragend an. »Kennen Sie die Legende?«, fragt eine Stimme mit starkem italienischen Akzent, und als wir uns umdrehen, grinst der Gondoliere uns breit an.
    »Was denn für eine Legende?«, fragt Adam und hält mich fest an sich gedrückt.
    Ich grinse von einem Ohr zum anderen. »Ach, das ist eine lange Geschichte«, und dann schlinge ich die Arme um seinen Hals und gebe ihm stattdessen einen langen Kuss.

Epilog
    Eingemummelt in meinen dicken Wintermantel, meine plüschige Mütze, Wollschal und Handschuhe laufe ich die schneebedeckte Straße entlang. Mein Atem formt kleine weiße Wattewölkchen, die aussehen wie der Rauch einer tuckernden alten Dampflok. Es dämmert schon, und es ist eiskalt. Eiszapfen hängen wie Kronleuchter an den Feuerleitern, und um mich herum wirbeln die Schneeflocken, als wäre ich mitten in einer gigantischen Schneekugel gelandet.
    Zitternd ziehe ich den Mantel enger um mich. Ich hätte lieber ein Taxi nehmen sollen, aber ich gehe nun mal so gern zu Fuß. New York hat sich in ein Winterwunderland verwandelt, festlich dekoriert und mit funkelnden Lichtern in allen Fenstern. Erwartungsvolle Vorfreude liegt in der Luft. Kaum zu glauben – in ein paar Wochen ist schon Weihnachten. Es kommt mir vor, als wäre ich erst gestern in Venedig gewesen, denke ich, und in Gedanken kehre ich wieder in den warmen italienischen Sonnenschein zurück.
    Drei Monate ist es schon her, seit Adam mich unter der Seufzerbrücke geküsst hat, und seither hat sich nicht nur die Jahreszeit verändert. Ich kann es immer noch kaum glauben, dass er da war, um mich zu retten, als ich in den Kanal gefallen bin. Anschließend hat er mich dann zum Trockenlegen mit in sein Hotel genommen, und wir sind stundenlang aufgeblieben und haben geredet und geredet.
    Er erzählte mir, wie er in letzter Minute eine Einladung bekam, nach Venedig zu fliegen und einige Interviews zu führen. Dass er immer an mich denken musste. Dass ich ihm so
sehr gefehlt habe, dass er, als er mich da oben auf der Brücke
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