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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt
Autoren: Jayne Ann Krentz
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durchschnittlichen Leser.
    Natürlich könnte man Molly Abberwick auch kaum als Durchschnitt betrachten, dachte er schuldbewußt.
    »Kalkulierte Enttäuschungen: Tricks, Betrug und Irreführung in der Geschichte der Wissenschaft ist weitaus bekannter«, sagte Harry und bemühte sich um Bescheidenheit. Kalkulierte Enttäuschungen war sein erster Schreibversuch für den populärwissenschaftlichen Markt gewesen und hatte sich als überraschend erfolgreich herausgestellt.
    »Das habe ich auch gelesen.«
    »Aha, ich verstehe.« Befangen stand Harry auf und ging zum Fenster. »Danke für das Kompliment.«
    »Sie müssen mir nicht danken. Ich habe Nachforschungen über Sie angestellt.«
    »Nachforschungen?«
    »Um zu entscheiden, ob ich Sie als Betrugsdetektiv anstellen soll oder nicht.«
    Harry zuckte innerlich zusammen. Er sah in die Nacht hinaus und versuchte, die Informationsstücke logisch zusammenzusetzen. Molly war nicht ganz das, was er erwartet hatte. Es gab eine bislang unergründete Tiefe in ihr. Er mußte sich auf einige Überraschungen gefaßt machen. Aber weshalb sollte ihm das Sorgen bereiten? Auch im Alter von sechsunddreißig Jahren arbeiteten die Reflexe der Trevelyans in ihm noch immer gut genug. Eine Affäre mit Molly könnte er leicht unter Kontrolle halten, beschloß er.
    »Sprechen Sie weiter«, forderte Molly ihn auf.
    »Wie bitte?«
    »Sie wollten mir erklären, warum Ihnen die Idee zusagt, Erfindungen zu fördern, die keinen sofortigen Profit versprechen.«
    Harry ließ die Nacht auf der anderen Seite der Fenster in sein Bewußtsein dringen. »Wie ich schon anmerkte, ist mein Arbeitsgebiet die Geschichte der Erfindungen und Entdeckungen. Im Laufe dieser Studien stelle ich mir immer wieder bestimmte Fragen.«
    »Welche Art von Fragen?«
    »Beispielsweise, was geschehen wäre, wenn Charles Babbage finanzielle Förderungen erhalten hätte, um 1833 seine mathematische Analysemaschine bauen zu können.«
    »Die Geschichte des Computers müßte noch einmal geschrieben werden«, schlug Molly vor.
    »Zweifellos. Wenn er in der Lage gewesen wäre, seine Visionen in die Tat umzusetzen, hätte die Welt das Computerzeitalter vielleicht schon einhundert Jahre früher erreicht. Denken Sie nur, wieviel weiter wir heute wären.« Harry wandte sich vom Fenster ab. Die Leidenschaft für seinen Beruf hatte ihn gefangen. »Es gibt Tausende anderer Beispiele für brillante Konzepte, die aus Geldnot und Mangel an Ermutigung nicht weitergeführt werden konnten. Wenn ich sie aufzählen wollte …« Er brach ab, als sich plötzlich die Eingangstür öffnete.
    »Was ist denn jetzt los?« Molly sah durch die Glaswand, die zwischen Diele und Wohnbereich als Raumteiler diente. »Ich glaube, da kommt jemand in Ihre Wohnung, Harry.«
    Harry ging durch das Zimmer. »Ginny muß vergessen haben, die Tür abzuschließen, als sie gegangen ist.«
    Unvermittelt trat ein Mann ein. Er war groß, jung und schlaksig, trug Jeans und ein blaues Holzfällerhemd. Als er Harry sah, blieb er breitbeinig stehen und hob den Arm. Auf der Messerklinge in seiner rechten Hand spiegelte sich das Licht.
    »Das ist dein Ende, Trevelyan«, knurrte der Eindringling. »Endlich habe ich dich gefunden. Diesmal wirst du mir nicht entkommen.«
    »Mein Gott!« Molly sprang vom Sofa hoch. »Er hat ein Messer!«
    »So ist es.« Harry schwieg.
    Der junge Mann schob die Hand in einer bedrohlichen, lange einstudierten Bewegung zurück.
    »Passen Sie auf! « Molly griff nach der Teekanne.
    »Zum Teufel«, murmelte Harry, »manche Leute haben wirklich keinen Sinn für den richtigen Zeitpunkt.«
    Der Eindringling schleuderte das Messer.
    Molly schrie auf und warf die Teekanne in Richtung der Glaswand.
    Das Wichtigste zuerst, dachte Harry und fing die Kanne auf, bevor sie an ihm vorbeigeflogen war.
    »Tun Sie doch was!« rief Molly entsetzt.
    Harry lächelte geheimnisvoll. Mit der einen Hand hielt er die Teekanne, während er die andere öffnete, um Molly das Messer zu zeigen.
    Sie starrte ihn mit offenem Mund an. Ihr Blick ging von dem Messer zu den leeren Händen des Eindringlings. »Sie haben das Messer im Flug aufgefangen«, flüsterte sie.
    Harry blickte auf die schimmernde Klinge. »Sieht so aus, nicht wahr?«

2
    »Ausgezeichnet, Cousin Harry.« Der Fremde klatschte anerkennend in die Hände. »Sehr gut. Dein Timing ist wie immer großartig.«
    »Unglücklicherweise kann man das von deinem nicht behaupten.« Harry stellte die Teekanne auf einem Tisch neben sich ab
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