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Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum

Titel: Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
Autoren: Jean Felix M. Lützenrath
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Roncesvalles bis nach Zubiri

    Es ist 5 Uhr morgens und ich habe trotz völliger Erschöpfung nicht sonderlich gut geschlafen. Grund dafür? Na ja, es ist nicht grade warm über Nacht in den Pyrenäen und zu allem Überfluss musste ich auch noch feststellen, dass meine Isomatte sich mit meinem Schlafsack anscheinend nicht sonderlich gut verträgt. Entweder rissen mich meine erfrorenen Gliedmaßen aus dem Schlaf, oder ich erwachte, da ich mal wieder eine Rutschpartie mit meinem Schlafsack auf der Isomatte hingelegt hatte und sich dann der kalte Boden unter mir bemerkbar machte.
    Würde meine Blase nicht so drücken, könnte ich jetzt auch noch problemlos länger liegen bleiben, da es im Gegensatz zur Temperatur in meinem Schlafsack einfach viel zu kalt in dieser Frühe da draußen ist. Gezwungenermaßen verlasse ich jedoch mein 5 Sterne Hotel und blinzele mal vorsichtig vors Zelt. Alles nass vom Morgentau und der Nebel zieht durch die Bäume. Eigentlich ein sehr schöner Anblick, aber kalt ist es! Dennoch verlasse ich meinen Bau und begebe mich nach draußen. Anschließend verkrieche ich mich wieder schleunigst im Zelt. Zwar habe ich beschlossen, den Tag zu nutzen und zeitig aufzustehen, aber 5 Minuten kann ich mich ruhig noch einmal umdrehen. Wenig später stehe ich auf und räume meine Sachen zusammen. Nachdem ich mein Zelt zusammengepackt und alles in meinem Rucksack verstaut habe, schaue ich noch einmal auf die Uhr und muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass es nun bereits 8:20 ist! Unmöglich! Da ich mir nicht erklären kann, wieso ich mehr als 3 Stunden gebraucht habe, um meine Sachen zu packen, beschließe ich, dass aus dem „einmal 5 Minuten umdrehen“ wohl mindestens eine Stunde geworden sein muss. Macht nichts, ich habe ja Zeit. Also wozu die Eile? Gemütlich mache ich mich auf den Weg nach Roncesvalles.
    Gleich nach den ersten wenigen Schritten erinnern mich meine Füße wieder daran, dass ich mir gestern die Hacken wund gelaufen habe. Bei jedem Schritt spüre ich bereits wieder, wie meine Fersen über das Inlay meines stabilen Lederstiefels scheuern. Gestern Abend vor dem Schlafengehen habe ich mir zwar die Blasen noch mit einer Nadel aufgestochen und einen Faden durchgezogen, aber vollkommen geheilt sind meine Füße dann über Nacht doch noch nicht. Im Vergleich zu gestern ist es aber wesentlich besser und so versuche ich, meine Gedanken auf andere Dinge zu konzentrieren und das Positive in dem geringen Heilungsprozess für mich zu loben.
    Mein großer Vorteil heute ist, dass ich mitten im Nirgendwo starte und somit kein einziger Pilger in meiner Nähe ist. Selbst die Frühaufsteher aus Saint-Jean-Pied-de-Port werden noch ein paar Stunden hinter mir sein und so kann ich die Natur in vollen Zügen genießen. Ich hasse es nämlich, mit dem täglichen Trott loszumarschieren und da alle Herbergen die Pilger um 8 Uhr rauswerfen, entsteht auf jeder Etappe zu dieser Zeit eine regelrechte Pilgerkarawane. Besonders schlimm aber sind meiner Meinung nach die Hektiker, die morgens um 5 Uhr ihren Wecker piepen lassen, die gesamte Herberge aus dem Schlaf reißen und dann mit ihren Stirnlampen anfangen, ihre Sachen zu packen und somit auch noch die letzten eisernen Schläfer aus ihrem Schlummer holen. Ich muss zwar zugeben, dass das Pilgern zu früher Stunde aufgrund der teilweise doch sehr hohen Temperaturen am Nachmittag wesentlich angenehmer ist, aber leider gibt’s immer noch jede Menge Pilger, die anscheinend der Ansicht sind, sich auf einem Staffellauf oder ähnlichem zu befinden. In einem Buch eines Pilgers las ich einmal: „Wir nahmen die wesentlich besser zu laufende Schnellstraße, tranken auf halber Strecke einen Kaffee und waren trotzdem noch vor allen anderen als erstes da.“ Na herzlichen Glückwunsch! Gibt’s dafür jetzt eine Medaille? Nach diesem Satz habe ich das Buch endgültig weggelegt, nachdem mich schon der Anfang ziemlich gelangweilt hatte. Welch Idiotie! Wozu begibt man sich denn bitte schön auf eine Pilgerreise? Asphalt, Autos und LKWs hab ich auch zu Hause zur Genüge, dafür muss ich nicht extra nach Santiago pilgern. Und wieso muss man als erster in der Herberge ankommen? Zugegeben, es ist ziemlich bedrückend, wenn man den ganzen Tag gelaufen ist, keine Kraft mehr hat, dann am Ende in der Herberge ankommt und erfahren muss, dass kein Bett mehr frei ist.
    Ich habe die Erfahrung mehrmals auf meiner ersten Reise gemacht, aber gestorben bin ich dennoch nicht daran. Mittlerweile
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