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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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gedeihen. Also nehme ich keine mehr.«
    Von Anfang an hatte er Bluthänflinge und ähnliche Vögel nach dem Geschmack junger Mädchen nicht gemocht. Er liebte das Herbe der Weichfutterfresser, wie man sie in Japan als Stubenvögel zu halten pflegt, und nicht so sehr die im Westen beliebten Hartfutterfresser. Für die eigentlichen Sänger, wie Kanarienvogel oder Buschsänger oder Lerche, alle mit so prächtigen Melodien, hatte er nichts übrig. Daß er dennoch einmal Bluthänflinge hielt, kam daher, daß der Vogelhändler sie ihm geschenkt hatte. Nachdem dann der eine gestorben war, hatte er nur immer wieder einen Nachfolger für ihn gekauf.
    Andererseits, selbst auch bei Hunden, nachdem er zum
    Beispiel einmal einen Collie gehabt hatte, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, eine Art ganz abzuschaffen. Man wünscht sich die Frau, die der Mutter gleicht. Man liebt die Frau, die der ersten Geliebten gleicht. Man möchte die Frau heiraten, die der verstorbenen Ehefrau gleicht. Und war es damit denn nicht genauso? Wenn der Mann mit Tieren als Gefährten lebte, dann deshalb, weil er allein und einsam sein wollte, um desto rücksichtsloser seinen Launen und Neigungen nachgeben zu können, und also gab er es auf, danach noch Bluthänflinge zu halten.
    Die gelbe Bachstelze, die als nächster Vogel nach dem Bluthänfling starb, hatte für ihn – mit ihrem Grüngelb von den Schenkeln bis zum Steiß, ihrem Gelb an Bauch und Brust, vor allem aber mit ihrer sanfen, zierlichen Gestalt – etwas von dem Zauber eines lichten Bambuswaldes, und da sie, außerordentlich zahm, auch dann unter fröhlichem Geflatter mit halb geöffneten Schwingen vergnügt das Futter von seinem Finger fraß, wenn sie keinen Hunger hatte, und dabei noch lieblich zwitscherte, ja sogar verspielt nach dem Muttermal in seinem Gesicht pickte, ließ er sie im Zimmer frei fliegen. Nachdem sie gestorben war, weil sie zuviel von Reisgebäckund anderen Krümeln aufgepickt und gefressen hatte, wollte er zunächst zwar eine neue haben, verzichtete aber schließlich doch darauf und tat ein Rotbärtchen, eine Vogelart, wie er sie bis dahin noch nie gehabt hatte, in den leeren Käfig. Im Fall der Goldhähnchen indessen, vielleicht gerade weil seine Fahrlässigkeit schuld daran gewesen war, daß sie halb ertrunken, daß ihre Beine verletzt worden waren, fiel es ihm schwer, sein Verlangen zu unterdrücken. Nicht lange und der Vogelhändler brachte ihm wieder ein Pärchen. Und wieder – dabei waren es doch so winzige Vögel – badete er sie, und obwohl er diesmal zuschaute, ohne sich vom Zuber auch nur zu entfernen, stand er abermals vor demselben Resultat. Als er den Badekäfig aus dem Zuber hob, zitterten sie und hatten die Augen geschlossen, wenigstens aber vermochten sie sich auf ihren Beinen zu halten, was gegenüber dem damaligen Fall erheblich günstiger war. Auch brachte er nun soviel Vorsicht auf, daß er ihnen nicht die Beine versengte.
    »Wieder ist mir das passiert. Mach bitte Feuer!« sagte er gelassen, mit einem Anflug von Verlegenheit. »Wie wäre es denn, wenn der Herr sie sterben ließe?« Er schrak auf, als erwachte er aus einem Schlaf. »Aber denk doch an das vorige Mal, – da habe ich sie ohne Mühe gerettet.«
    »Gerettet, sagen Sie, – es wird auch diesmal nicht für lange sein. Ich habe schon damals gedacht, wo die Beine in solchem Zustand waren, – wenn sie doch bald tot wären.«
    »Dabei kann ich sie retten, wenn ich sie retten will.« »Es wäre wirklich besser, Sie ließen sie sterben.« »Meinst du also wirklich?« Er spürte ein körperliches Erschlaffen, als ob er plötzlich bewußtlos würde, und schweigend stieg er hinauf in sein Arbeitszimmer im Obergeschoß, setzte den Käfig in das Sonnenlicht, das durch das Fenster hereinfiel, und schaute gedankenverloren zu, wie die Goldhähnchen langsam starben. Vielleicht hilf ihnen die Kraf des Sonnenlichts –, betete er. Er selber aber war, als erfüllte ihn eine seltsame Trauer und er sähe seine eigene Erbärmlichkeit deutlich vor sich, nicht imstande, soviel Aufebens wie das vorige Mal zu machen, um das Leben der Vögel zu retten.
    Als sie schließlich zu atmen auförten, nahm er die durchnäßten Vogelleichen aus dem Käfig und hielt sie eine Zeitlang auf seinem Handteller. Hierauf tat er sie wieder zurück und schob den Käfig in jenen Wandschrank. Und wie er stand, ging er die Treppe hinunter und sagte zu dem Hausmädchen nur wie nebenbei: »Jetzt sind sie tot.«
    Goldhähnchen,
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