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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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Fruchtwasser sahen die beiden Embryos aus wie tot. Rasch wickelte er sie in Zeitungspapier ein. Danach kamen noch drei. Alle befanden sie sich im Schafäutchen. Das siebente und letzte schließlich regte sich zwar in der Blase, war aber eingeschrumpf. Nachdem er es einen Augenblick lang betrachtet hatte, stopfe er es kurzerhand in das Zeitungspapier dazu und sagte: »Wirf das irgendwo fort! Im Westen die Leute sortieren die Jungen, und die schwach sind und nichts taugen, töten sie; aber wir weichherzigen Japaner bringen das nicht fertig … Und der Hündin gibst du ein rohes Ei zu schlucken.« Dann wusch er sich die Hände, und schon lag er wieder im Bett. Er hätte durch die Straßen laufen mögen, innerlich überfließend von der frischen Freude: ein neues Leben ist geboren. Daß er eines der Jungen getötet hatte, daran dachte er nicht mehr.
    Allein, eines Morgens – es war um die Zeit, als ihre noch halb geschlossenen Augen sich ganz öffneten – war eines der Hündchen tot. Er zog es hervor, tat es vorn in seinen Kimono und warf es gleich darauf auf seinem Morgenspaziergang fort. Zwei oder drei Tage später war abermals eines steif und leblos. Die Hündin pflegte, wenn sie sich einen Schlafplatz zurechtmachte, rücksichtslos das Stroh umzuwühlen. Dabei wurden die Jungen dann unter dem Stroh begraben. So viel Kraf, daß sie das Stroh beiseite gescharrt hätten und hervorgekrochen wären, hatten die Hündchen noch nicht. Und die Alte machte sich nicht die Mühe, sie mit den Zähnen zu packen und herauszuholen. Im Gegenteil, sie schlief auf dem Stroh, unter dem die Jungen lagen. So wurden die Hündchen über Nacht entweder totgedrückt, oder sie erfroren. Es war wie bei einer einfältigen Kindsmutter, die den Säugling an der Brust ersticken läßt.
    »Wieder ist eines tot.« Während er ohne viel Umstände das dritte Opfer in den Kimono schob, rief er mit einem Pfiff die Hunde zusammen und ging in den nahen Park. Und als er einen Blick auf den BostonTerrier, auf die Hündin warf, die ausgelassen umherjagte, als wüßte sie nicht, daß sie ihre Jungen umgebracht hatte, – da erinnerte er sich merkwürdigerweise abermals an Chikako.
    Chikako war achtzehn gewesen, als sie, ein Spekulant hatte sie mitgenommen, nach Harbin reiste und dort etwa drei Jahre lang bei einem Weißrussen tanzen lernte. Doch ihr Liebhaber, der in allem strauchelte, was er auch anfing, schien schließlich die Kraf zum Durchhalten verloren zu haben, und indem er Chikako bei einer Musikertruppe aufreten ließ, die durch die Mandschurei tingelte, kämpfen sie sich beide allmählich bis in die Heimat zurück. Sobald sie jedoch in Tōkyō zur Ruhe gekommen waren, verließ Chikako den Spekulanten und heiratete den Musiker, der sie seit der Mandschurei mit seinem Instrument begleitet hatte. Nun trat sie sogar hier und da auf Bühnen auf und begann ihre eigenen Tanzabende zu geben. Um jene Zeit galt der Mann als einer derjenigen, die einen großen Einf luß auf die Musikwelt ausübten, nicht so sehr allerdings, weil er etwas von Musik verstanden hätte, als vielmehr wegen des monatlichen Zuschusses, den er einer bestimmten Musikzeitschrift zahlte. Immerhin besuchte er die musikalischen Veranstaltungen, um dort mit Leuten, die er vom Sehen her kannte, törichtes Zeug zu reden. So sah er auch Chikako tanzen. Und das barbarisch Dekadente ihres Körpers faszinierte ihn. Was denn für ein Geheimnis mochte es sein, das in dieser Frau eine solche Wildheit hatte auflühen lassen? Es schien ihm, wenn er sie in seiner Erinnerung mit der Chikako vor sechs, sieben Jahren verglich, einfach unbegreiflich. Er fragte sich sogar, warum er sie damals eigentlich nicht geheiratet hatte.
    Bei ihrem vierten Tanzabend indessen schien ihm ihre körperliche Vitalität plötzlich stumpf geworden. Entschlossen eilte er zu ihr in die Garderobe, und unbekümmert darum, daß sie, noch im Tanzkostüm, beim Abschminken war, packte er sie am Ärmel und zerrte sie hinaus auf die dämmrige Rückseite hinter der Bühne.
    »Lassen Sie mich doch da bitte los! Wenn Sie mich auch nur ein bißchen anfassen, habe ich gleich solche Schmerzen in den Brüsten.«
    »Du willst dich doch nicht etwa ruinieren!? Was sollen also die Dummheiten!«
    »Aber ich habe ja Kinder immer so gern gehabt. Ich wollte endlich auch ein Kind haben.«
    »Du willst es großziehen? Du denkst, du kannst neben solchen Weibersachen der Kunst leben? Eine Mutter mit einem Kind, – wie stellst du dir denn das weiter
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