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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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einen Wandschrank stellen wollte, rückte das Pärchen laut zwitschernd aneinander, während sich das verlassene Weibchen unruhig abseits hielt.
    Das würde nicht gutgehen, und er tat sie in getrennte Käfige; doch als er in dem einen das Pärchen sah, empfand er Mitleid mit dem Weibchen in dem anderen. Nun steckte er das alte Weibchen und das neue Männchen in den einen Käfig. Das neue Männchen rief zu seinem verlassenen Weibchen hinüber und zeigte keinerlei Neigung für das alte Weibchen; dennoch waren sie bald darauf aneinandergerückt und schliefen. Am nächsten Abend, obwohl er sie wieder in einen gemeinsamen Käfig setzte, tobten sie nicht mehr so wie am Tage vorher. Und sie schliefen friedlich miteinander alle drei, wobei die Vögel rechts und links ihre Köpfe in das Gefieder des dritten in der Mitte schoben. Da stellte er den Käfig an sein Kopfende und schlief auch.
    Als er jedoch am folgenden Morgen erwachte, schliefen zwei der Vögel zusammengedrängt wie ein einziges Wollknäuel, während der dritte auf dem Käfigboden unter der Sitzstange lag, die Flügel halb gespreizt, die Beine von sich gestreckt, die Augen ein wenig geöffnet – und war tot. Vorsichtig, wie um es die beiden anderen nicht merken zu lassen, holte der Mann die Vogelleiche heraus und warf sie in den Müllkasten, ohne dem Hausmädchen etwas davon zu sagen. Das war, dachte er, kaltblütiger Mord.
    »Welches aber von den Weibchen mag gestorben sein?« Ein um das andere Mal starrte er in den Käfig, doch schien es sich bei dem überlebenden wider Erwarten um das alte Weibchen zu handeln. Seine Zuneigung galt mehr dem Weibchen, das er schon eine Zeitlang aufgezogen hatte, als dem eben vor zwei Tagen hinzugekommenen. Vielleicht war es also seine Voreingenommenheit, die ihn dies vermuten ließ. Er, der ohne Familie lebte, fand es abscheulich, daß er so voreingenommen sein sollte.
    »Wenn ich in solchem Maße zwischen meinen Neigungen unterscheide, warum dann eigentlich lebe ich mit Tieren? Wo ich doch dafür am Menschen den geeignetsten Gegenstand hätte?«
    Man hält die Goldhähnchen für außerordentlich empfindliche Vögel, die leicht sterben können. Doch seine beiden waren danach kräfig und gesund.
    Es kam die Jahreszeit heran, in der er nicht mehr ausgehen konnte, weil er allerlei Jungvögel aus den Bergen, angefangen mit einem jungen Würger, den er von einem Wilderer erhielt, zu füttern hatte. Als er einmal den Waschzuber auf die Veranda setzte und die Vögel darin badete, fielen Glyzinienblüten hinein. Während er dem Klatschen der Flügel im Wasser lauschte, kratzte er den Kot aus den Käfigen; da hörte er plötzlich draußen vor dem Zaun Kindergeschrei, von dem ihm schien, es ginge darum, das Schicksal irgendeines kleinen Tieres zu bedauern, und als er sich über den Zaun reckte, fürchtend, sein junger Drahthaar-Foxterrier könnte sich aus dem Innenhof hinausverlaufen haben, war es ein Lerchenjunges. Eines, das sich noch nicht richtig auf den Beinen halten konnte und kraflos flatternd durch einen Müllhaufen torkelte. Wenn ich es nun aufzöge, – dachte er plötzlich und rief: »Was ist denn mit ihm?«
    »Die Leute in dem Haus da drüben«, ein kleiner Volksschüler wies auf ein von Paulownia-Bäumen grellgrünes Haus, »sie haben ihn einfach weggeworfen. Bestimmt stirbt er.«
    »Hm, wird er eben sterben.« Gleichgültig trat der Mann zurück vom Zaun.
    In jenem Haus zogen sie einige Lerchen auf. Da hatten sie wohl ein Vögelchen, bei dem keine Aussicht bestand, daß es jemals singen würde, hinausgetan. Das ist nun einmal so, einen untauglichen Vogel setzt man aus, dachte er, und augenblicklich war sein Mitleid erloschen.
    Unter den Jungen gibt es Vögel, bei denen man nicht weiß, sind es Weibchen oder Männchen. Der Händler bringt auf alle Fälle sämtliche Jungen eines Nestes aus den Bergen mit, und sowie er sieht, was ein Weibchen ist, wirf er es weg. Denn die Weibchen, die ja nicht singen, kann er nicht verkaufen. Auch wenn man Tiere liebt, ist es doch ganz natürlich, daß man immer nur die vorzüglichsten haben möchte, und so läßt sich nicht vermeiden, daß auf der anderen Seite eine solche Grausamkeit um sich greif. Zwar war es auch seine Art, sich beim ersten Anblick jedes Tier zu wünschen, das er hübsch fand; doch wußte der Mann aus Erfahrung, diese unbeherrschten Neigungen würden schließlich einer Grausamkeit gleichkommen, und da er sich zudem vorstellte, daß die Folge ein Zusammenbruch seiner
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