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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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gewohnten Gemütslage wäre, schien es ihm nun schon geradezu undenkbar, er könnte – und würde er noch so sehr darum gebeten – ein von fremder Hand aufgezogenes Tier, ein wie prächtiger Hund oder Vogel es auch wäre, übernehmen und in seinem Hause halten.
    Menschen sind mir deshalb zuwider –, war seine, des Junggesellen, eigensinnige Auffassung geworden. Sobald es sich um Mann und Frau, um Eltern und Kinder oder um Geschwister handelt, und wäre einem der andere noch so gleichgültig, sind doch die Fesseln so leicht nicht zu durchschneiden, und man muß wohl oder übel mit ihnen leben. Obendrein hat jeder Mensch auch noch sein eigenes sogenanntes Ego.
    Außerdem war es doch denkbar, daß darin, das Leben und die Lebensgewohnheiten eines Tieres zum Gegenstand des Spiels zu machen und es unter Vorausbestimmung einer idealen Form auf kunstvolle, auf gestaltverändernde Weise heranzuziehen, etwas von einer schmerzlich ergreifenden Reinheit, von einer gottähnlichen Heiterkeit läge. Wenngleich er die von Zucht zu Zucht eilenden, quälerisch verfahrenden Tierfreunde, die ihm symbolisch schienen für das Tragische in der Natur, aber auch im Menschen, höhnisch belächelte, entschuldigte er sie doch.
    Im Jahr zuvor, an einem Abend im November, hatte ihn der Besitzer eines Hundestalls aufgesucht, ein Mann, der wegen eines chronischen Nierenleidens oder dergleichen zusammengeschrumpf war wie eine Mandarine, und hatte ihm erklärt: »Da ist mir eben etwas wirklich Schreckliches passiert. Als wir in den Park kommen, mache ich sie von der Leine los, und wie ich noch denke: na, in diesem Nebel, wo es so dunkel ist, hast du sie eben mal für einen Moment aus den Augen verloren, – schon hat sich ein streunender Hund auf sie gestürzt. Ich habe sie natürlich sofort weggerissen, das Luder, und sie in den Bauch getreten, ich habe sie büßen lassen, bis sie nicht mehr hoch konnte; also meine ich, es dürfe kaum was sein. Aber damit ist es ja gerade so, daß es dann – aus purer Tücke sozusagen – doch geklappt hat.«
    »Leichtsinnig waren Sie. Und Sie sind ein Händler?« »Freilich, das ist peinlich, und sagen kann ich es niemandem. Dieses Luder! Hat sie mich im Handumdrehen um vier-, fünfundert Yen geschädigt.« Krampfaf zuckte der Hundehalter mit seinen gelben Lippen.
    Die stolze Dobermann-Hündin hatte wie gebrochen den Kopf gesenkt und blickte aus gequälten Augen blinzelnd zu dem Nierenkranken auf. Der Nebel wehte herein.
    Diese Hündin, so war man übereingekommen, sollte durch die Vermittlung des Mannes verkauf werden. Nun gab er zu bedenken, daß es jedenfalls, wenn sie, kaum daß sie im Haus des Käufers wäre, Bastarde würfe, auch seinen Ruf ruinieren müßte; doch dessenungeachtet hatte der Hundehalter, offensichtlich in finanziellen Schwierigkeiten, bald darauf die Hündin verkauft, ohne sie ihm vorzuführen. Das Ergebnis war, daß zwei, drei Tage später der neue Besitzer mit der Hündin zu ihm kam. Nachdem er sie gekauf, am folgenden Abend schon, so berichtete er, habe die Hündin einen toten Wurf gehabt.
    »Wir hörten ein qualvolles Winseln, und als das Hausmädchen den Regenladen öffnete und nachsah, fraß die Hündin unter der Veranda ein Frischgeborenes. Das Mädchen, fürchterlich erschrocken, und es war ja noch vor Tagesanbruch, konnte es nicht richtig sehen; so wissen wir nicht, wie viele sie geworfen hatte. Immerhin schien sie, als das Mädchen sie sah, eben das letzte Junge aufzufressen. Wir haben dann sofort den Tierarzt gerufen, und der meinte, man solle es nicht für möglich halten, daß ein Hundehändler einem ohne ein Wort eine tragende Hündin verkaufe, aber wahrscheinlich sei sie von irgendeinem streunenden Hund besprungen worden, und da habe er sie schrecklich getreten oder geschlagen und sie zu uns gebracht. Normal war die Geburt nicht. Es könnte auch sein, daß es sich um eine Hündin handele, die die Angewohnheit hat, ihre Jungen aufzufressen. Wenn das so ist, solle ich sie mal wieder zurückbringen; ja, meine ganze Familie ist entrüstet. Ein Hund, den man so behandelt hat, der sei doch wirklich zu bedauern.« »Na, dann lassen Sie mal sehen.« Nachlässig hob der Mann die Hündin auf und tastete nach den Brustwarzen. »Fest steht, daß das Zitzen sind, an denen sie schon einmal Junge gesäugt hat. Diesmal hat sie sie aufgefressen, weil sie tot ankamen«, sagte er mit gleichgültigem Gesicht, obwohl er über den unehrlichen Hundehändler wütend war und die Hündin ihm leid
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