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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall
Autoren: Yasunari Kawabata
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kleine Vögel, die sie sind, werden leicht schwach und sterben dann. Andererseits gediehen ähnlich kleine Vögel wie etwa Schwanzmeisen, Zaunkönige, Tannenmeisen bei ihm ganz ausgezeichnet. Daß er sie doch tatsächlich zweimal beim Baden umgebracht hatte, – war es nicht vielleicht genauso wie mit den Bluthänflingen, die es schwer hatten, in einem Haus zu überleben, in dem einmal ein Bluthänfling gestorben war? Der Mann hielt es für eine schicksalhafe Verknüpfung, weshalb er, mit dem Versuch eines Lächelns, zu dem Mädchen sagte: »Zu den Goldhähnchen sind die Bande nun gelöst.«
    Dann streckte er sich im Wohnzimmer auf der Matte aus, ließ sich von seinen Hündchen an den Haaren zerren, und nachdem er aus den hier aufgereihten sechzehn oder siebzehn Käfigen den mit der Ohreule ausgewählt hatte, stieg er mit ihm in sein Arbeitszimmer hinauf.
    Sowie die Eule ihn sah, machte sie wütende Augen, drehte den eingezogenen Kopf ununterbrochen hin und her, klapperte mit dem Schnabel und fauchte. Diese Ohreule fraß niemals auch nur einen Happen, solange er sie beobachtete. Hielt er ihr ein Stück Fleisch zwischen den Fingern hin, schnappte sie unwillig danach, schluckte es aber nicht hinunter, sondern ließ es die ganze Zeit über schlaff aus dem Schnabel hängen. Einmal hatte er mit ihr auch schon die Nacht hindurch bis zum Morgengrauen einen hartnäckigen Ausdauerwettkampf geführt. War er in ihrer Nähe, warf sie keinen Blick auf das Futter. Sie rührte sich noch nicht einmal. Als aber der Nachthimmel sich allmählich aufellte, bekam sie doch Hunger. Da hörte er dann am Geräusch der Krallen, wie sie die Sitzstange entlang auf das Futter zu rutschte. Und er wandte sich zu ihr um. Der Vogel, der eben noch mit angelegten Kopffedern und schmal zusammengekniffenen Augen, in einer Pose, wie man sie verschlagener, tückischer nicht für möglich gehalten hätte, den Hals zum Futter hin ausstreckte, hob erschrocken den Kopf, fauchte den Mann boshaf an und machte wieder seine unschuldige Miene. Der Mann schaute weg. Und abermals hörte er die Eule mit den Krallen kratzen. Sie blickten einander an, und abermals ließ der Vogel vom Futter ab. Während sich das mehrfach wiederholte, begrüßte bereits der Würger mit schrillem Gezwitscher den Morgen.
    Keineswegs war es so, daß der Mann diese Ohreule gehaßt hätte, vielmehr hatte er sein Vergnügen an ihr. »Ich suche immer und denke: wenn es ein solches Hausmädchen gäbe!«
    »Sieh mal an, selbst du hast deine bescheidenen Seiten.«
    Schon hatte sich der Mann mit verdrossenem Gesicht von dem Freund abgewandt und lockte mit einem »Kiki-kiki!« den Würger zu sich heran.
    »Kikikiki – kikikiki!« antwortete der Würger mit einer Lautstärke, als wollte er ringsum alles fortschreien.
    Ein Raubvogel wie die Eule, verlor dieser Würger doch die Zutraulichkeit nicht und ließ sich aus der Hand füttern, ja, er hing an dem Mann wie ein verzogenes kleines Mädchen. Sobald er, wenn der Mann nach Hause kam, seine Schritte draußen hörte oder auch nur ein Husten, sofort begann er zu schreien. Und war er aus dem Käfig heraus, so flog er ihm auf die Schulter oder aufs Knie und schlug vergnügt seine Flügel.
    Statt eines Weckers setzte der Mann diesen Würger neben sein Kopfissen. Und wurde es morgens hell, brauchte er sich nur einmal umzudrehen oder die Hände zu bewegen oder das Kopfissen zu richten, sofort kokettierte der Vogel und rief ein sanfes »Tschi-tschiitschitschii«. Selbst auf ein bloßes Schlucken antwortete er: »Kikiki-kiki!« Die Stimme aber, mit der er ihn schließlich ohne weitere Rücksicht weckte, war so erfrischend wie ein Blitz, der den Morgen eines neuen Lebenstages durchzuckt. Hatte er dann mit ihm mehrere Male Ruf und Antwort gewechselt und der Mann war nun völlig wach, begann er, indem er die verschiedenen Vögel nachahmte, leise vor sich hinzuzwitschern. Der Würger war der erste, der ihn spüren ließ: Glückzu auch für diesen Tag! Und bald schlössen sich alle anderen Vögel mit ihrem Gezwitscher an. Noch im Nachtgewand, tat der Mann etwas Weichfutter auf seinen Finger und reichte es dem Würger hin, und der pickte stürmisch darauflos, was der Mann wiederum gleichermaßen als Zuneigung empfand.
    Da er auf Reisen, selbst wenn er nur einmal woanders schlief, mitten in der Nacht erwachte, weil er von seinen Tieren geträumt hatte, geschah es so gut wie nie, daß er von Hause fortblieb. War es die Macht der Gewohnheit? Mochte er jemanden
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