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Träum süß, kleine Schwester

Träum süß, kleine Schwester

Titel: Träum süß, kleine Schwester
Autoren: Mary Higgins Clark
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nicht, ob ich’s haben möchte«, erklärte er.
    Die Maklerin machte ein mißbilligendes Gesicht.
    »Das ist ein Objekt für Sammler. Ich muß mich verabschieden. Geben Sie mir deswegen Bescheid.«
    Mike blickte ihrem Wagen nach, bis er in der kurvenreichen Zufahrt verschwand. Laune, ich brauche dich. Er öffnete den Deckel des Grammophons, wie er es vor fünf Tagen gemacht hatte, vor einer Ewigkeit. Er betätigte die Kurbel, suchte die Platte mit ›Chinatown‹, legte sie auf, drückte die Abspieltaste. Er beobachtete, wie der Plattenteller sich zu drehen begann, löste den Tonarm und setzte die Nadel in der Einlaufrille auf.
    ›Chinatown, my Chinatown …‹
    Mike fühlte, wie sein Körper erkaltete. Nein! Nein!
    Atemlos, wie gelähmt starrte er auf die rotierende Platte.
    »… Das Herz kennt keine andre Welt und findet nirgends Ruh …«
    Über den kratzigen Falsettstimmen der längst vergessenen Sänger erhob sich Lauries strahlender Sopran, erfüllte den Raum mit seiner herzzerreißenden, wehmütigen Schönheit.

    Da haben wir die Bescherung
    Die Menschen träumen nur allzuoft von weißen Weihnachten, aber es ist anzunehmen, daß sich die meisten genauso gern mit grünen Weihnachten zufrieden gäben. Wer hat noch nie davon geträumt, daß er den Haupttreffer in der Lotterie macht? Und wer, wenn nicht die gütige, großzügige Bestseller-Autorin Mary Higgins Clark, hätte je daran gedacht, den Traum eines glücklichen Spielers wahr werden zu lassen? Aber einen Lotteriegewinn zu kassieren ist genauso, als wünsche man sich von einem Kobold Gold – man darf sich keinen einzigen Augenblick lang ablenken lassen, sonst könnte es geschehen, daß sich das weihnachtliche Grün in Giftsumach* verwandelt.
    Dies alles wäre nie geschehen, wenn Wilma Bean nicht ihre Schwester Dorothy in Philadelphia besucht hätte.
    Dann hätte Ernie gewußt, daß Wilma die Ziehung im Fernsehen verfolgen würde, wäre um Mitternacht von seiner Arbeit als Wachmann im Kaufen-Sie-Hier-Einkaufszentrum in Paramus nach Hause gerast, und sie hätten zusammen gefeiert. Zwei Millionen Dollar! Das war ihr Gewinn in der Weihnachts-Sonderlotterie.
    Weil Wilma jedoch ihrer Schwester Dorothy in Philadelphia einen vorweihnachtlichen Besuch abstattete kehrte Ernie im Glückskleeblatt-Wasserloch auf einen oder zwei Drinks ein und beschloß dann den Abend in der
    * Eine Pflanze, deren Berührung einen brennenden, hartnäckigen Ausschlag verursacht.

    sechs Häuserblocks von seiner Wohnung entfernten Harmonie-Bar. Dort nickte er Lou, dem Besitzer und Barmann, glücklich zu, schlang seine dicken, sechzig Jahre alten Beine um den Fuß des Barhockers und dachte verträumt darüber nach, wie Wilma und er den plötzlichen Geldsegen ausgeben würden.
    Genau in diesem Augenblick erblickten Ernies blaßblaue Augen Loretta Thistlebottom, die auf einem Barhocker in der Ecke an der Wand lehnte und sich mit einer Hand an einem Bierkrug und mit der anderen an einer Marlboro festhielt. Loretta war eine sehr attraktive Frau. Heute abend fielen ihre glänzenden blonden Haare in einer Innenrolle auf ihre Schultern herab, der rosa Lippenstift bildete die passende Ergänzung zu ihren großen, violett umrahmten Augen, und ihr üppiger Busen hob und senkte sich aufreizend gleichmäßig.
    Ernie beobachtete Loretta mit beinahe unpersönlicher Bewunderung. Es war allgemein bekannt, daß Lorettas Mann, Jimbo Potters, ein vierschrötiger Lastwagenfahrer, sehr stolz darauf war, daß Loretta in ihrer Jugend als Tänzerin gearbeitet hatte; außerdem war er extrem eifersüchtig. Es hieß, daß er Loretta nicht nur einmal verprügelt habe, wenn sie zu anderen Männern zu freundlich war.
    Doch da Lou, der Barmann, Jimbos Vetter war, hatte dieser nichts dagegen, wenn Loretta in den Nächten, in denen er mit einem Ferntransport unterwegs war, in der Bar saß. Das Lokal war schließlich ein beliebter Treffpunkt. Eine Menge Ehefrauen kamen mit ihren Freundinnen hierher, und Loretta meinte: »Jimbo kann nicht erwarten, daß ich allein in die Röhre gucke oder auf Tupperware-Partys gehe, wenn er Knoblauchknollen oder Bananen spazierenfährt. Da ich aus einer berühmten Künstlerfamilie stamme, brauche ich Menschen um mich.«
    Lorettas bevorzugtes Gesprächsthema war ihre Karriere im Showgeschäft; sie wurde im Lauf der Jahre immer großartiger. Das war auch der Grund, warum Loretta –
    obwohl sie Mrs.
    Jimbo Potters hieß – stets ihren
    Künstlernamen Thistlebottom verwendete, wenn sie
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