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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel
Autoren: Franziska Gehm
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hin.«
    »Aber Haut weiß wie Schnee gerade wohl eher nicht.« Flora verzog die Lippen. »Das ist für dich wahrscheinlich total widerlich.«
    Andro nahm Floras Gesicht in beide Hände. »Bist du bescheuert, Flora Duve? Na klar bist du noch die Schönste im ganzen Land.«
    Flora lächelte. So kurz, dass man es kaum erkennen konnte. Dann küsste sie ihn. Vorsichtig, als wäre es das erste Mal. Langsam
     lösten sich ihre Lippen. Flora verharrte mit ihrem Mund nur einen Hauch von Andros Lippen entfernt, auf die sie den Blick
     gesenkt hatte. »Das mit uns am See«, sagte sie leise und wie im Halbschlaf, »vergessen wir das einfach?«
    Andro sah Flora ungläubig an. »Kannst du das? Einfach vergessen?«
    »Ich will.« Flora legte den Kopf schräg, dann zuckte sie mit den Schultern. »Und offiziell hab ich es schon vergessen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Keiner weiß etwas von dir. Die Polizei nicht, meine Mutter nicht und Trixi muss es auch nicht wissen.«
    Andro zögerte. »Warum tust du das?«
    »Für uns.«
     
    Andro betrachtete Flora befremdet. Er verstandsie noch weniger, als er geglaubt hatte. Ihm schossen tausend Fragen durch den Kopf. Er hatte Angst, sie zu stellen, er hatte
     Angst vor den Antworten. Die Situation war einfach zu bizarr. »Danke«, sagte er schließlich mit rauer Stimme.
    ***
    Sie liegt auf dem Bett. Dort, wo er eben noch saß. Sie möchte den Hall seiner Stimme festhalten, seine Wärme einfangen, seinen
     Geruch. Möchte, dass er in sie kriecht, sie gleichzeitig umhüllt und ihr den Rücken kehrt, um immer wieder zu ihr zurückzukommen.
    Besinnungslos. Bedingungslos . Begehren .
    Sie hat geschlafen, unruhig voller Kälte, ist aufgewacht. Hat sich die letzte Angst aus den Augen gerieben.
    Er
    war da.
    Er
    ist da.
    Er
    wird da sein.
    Unendlich. Unsterblich . Unantastbar
.
    Sie schlägt sich mit den Fäusten auf den Kopf. Hämmert es ein. Für alle Ewigkeit. Ein Leben. Ihr Leben.
    Er ist immer dort, wo sie ist. Sie ist immer dort, wo er ist. Sie sind. Ihre Arme Seine Arme. Kokon für zwei. Lassen niemanden
     hinein. Draußen regnet das Leben, wütet der Tag, müde Menschen fressen sich auf, dieZeit drückt auf die Lungen. Sie sehen noch nicht einmal hin.
    Sie zieht die Beine an, umschlingt sie. Sie starrt an die Decke, murmelt.
    Androflorandroflorandro.
    Es wird nie wieder wehtun.

5.   Kapitel
    Zeugenvernehmung von Karoline Duve
     
    Zur Person
    Name: Duve
    Vorname: Karoline
    Geb. Datum: 2.   8.   76
    Beruf: stellvertretende Leiterin der Kulturwerkstatt
    Wohnort: Telpen
    Adresse: Edvard-Grieg-Str. 18
     
    Vernommen im Fall der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil von Flora Duve. (Vernehmung durchgeführt von Polizeihauptmeister
     Sälzer)
     
    Zur Sache
    F: Frau Duve, wann haben Sie Ihre Tochter am 2.   Juli zum letzten Mal gesehen?
    A: Das muss beim Frühstück gewesen sein. Ich habe an dem Tag länger gearbeitet. Wir hatten eine Tanzaufführung in der Kulturwerkstatt.
     Ich bin nach der Arbeit nicht nachHause gekommen sondern gleich essen gegangen. Makaber, oder?
    F: Was?
    A: Ich sitze im Restaurant, trinke, esse, lache, während meine Tochter   ...
    F: Mit wem waren Sie essen?
    A: Mit Götz. Götz Gerlinger, mein Freund. Oder Lebenspartner, wenn das besser klingt.
    F: Sie haben Ihre Tochter also den ganzen Tag nicht gesehen?
    A: Nein. Ich wünschte, das hätte ich. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Ich dachte, sie verbringt den Abend mit
     Andro oder Trixi. So läuft das meistens bei uns. Sie ist sechzehn. Ich vertraue ihr. Überbemuttern bringt nichts, da kommt
     höchstens das Gegenteil dabei heraus. Das habe ich ja bei meiner Mutter gesehen.
    F: Sie war sehr streng?
    A: So streng, dass ich abgehauen bin.
    F: Und dann mit 18 schwanger geworden?
    A: Sie wissen ja schon alles.
    F: Wo ist Floras Vater?
    A: Keine Ahnung.
    F: Aber wer er ist, wissen Sie doch, oder?
    A: Ungefähr. Ist lange her. Was hat das mit heute zu tun?
    F: Wir klären Floras Umfeld.
    A: Ihr Vater gehört sicher nicht dazu.
    F: Sie haben Flora also alleine großgezogen?
    A: Ja. Zuerst ganz alleine, dann mit meinen Eltern. Ich habe mich mit meiner Mutter versöhnt. Aber sie hat uns früh verlassen.
     Sie war sehr krank. Das wusste ich nicht. Flora hat sehr an ihr gehangen. Sie war neun, als ihre Oma starb.
    F: Hat Flora außer Ihnen und ihrem Großvater noch andere Bezugspersonen?
    A: Bezugspersonen. Wie das klingt. Trixi ist ihre beste Freundin. Seit der ersten Klasse. Die beiden sind fast wie
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