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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel
Autoren: Franziska Gehm
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Schwestern.
    F: Was ist mit Floras Freund?
    A: Andro. Gute Frage. Flora lässt mich da nicht reingucken. Ich fürchte, es hat sie ziemlich erwischt.
    F: Sie fürchten?
    A: Na ja, ich finde, Flora ist noch ein bisschen zu jung für die große Liebe für die Ewigkeit. So tut sie aber manchmal. Als
     wäre Andro derjenige, auf den sie immer gewartet hat. Sie ist da viel romantischer und dramatischer als ich.
    F: Was halten Sie von Andro?
    A: Er ist schon okay. Etwas verschlossen vielleicht. Aber ich kann verstehen, was sie an ihm findet. Wahrscheinlich hätte
     ich mich mit sechzehn selbst in ihn verliebt.
    F: Sie sagten, Sie haben Flora am 2.   Juli zum letzten Mal beim Frühstück gesehen. Wie war sie da?
    A: Normal. Sie ist ein Morgenmuffel. Sagt morgens nicht viel. Ich glaube, an dem Morgen war sie ein bisschen genervt, dass
     Götz und Hagen auch da waren. Aber das ist auch normal.
    F: Ihr Freund wohnt bei Ihnen?
    A: So gut wie.
    F: Und Hagen ist   ...?
    A: Der Sohn von Götz. Er wohnt nur vorübergehend bei uns, und nur an den zwei Tagen, an denen er in Telpen Praktikum hat.
    F: Und Flora ist nicht besonders erfreut darüber, dass Götz und Hagen so gut wie bei Ihnen eingezogen sind?
    A: Das Übliche eben. Es ist ihr Revier, ihre Mama. Ich kann verstehen, dass sie das nervt. Flora lässt dann manchmal die Zicke
     heraushängen, aber im Grunde funktioniert es ganz gut. Wir haben uns nie deswegen gestritten.
    F: Flora war also beim Frühstück ganz normal. Und Sie haben sie erst wieder gesehen, als sie bereits im Krankenhaus lag?
    A: Ja. Es war das Furchtbarste, was ich je erlebt habe. Schlimmer als der Tod meiner Mutter damals.
    F: Sie haben also vom Morgen des 2.   Juli an nichts mehr von Ihrer Tochter gehört.
    A: Nein. Das stimmt so nicht. Ich habe mit ihr telefoniert, am Abend.
    F: Wann war das genau?
    A: Ich habe sie angerufen, als wir das Restaurant verlassen haben. Das muss ungefähr kurz vor zehn gewesen sein. Ich habe
     es erst zu Hause versucht, aber da ging keiner ran. Dann habe ich auf dem Handy angerufen. Flora klang ganz normal. Sie meinte,
     sie wäre bei Trixi und würde auch dort übernachten. Das machen die beiden öfters, bei dem anderen übernachten. Ich habe gar
     nicht weiter darüber nachgedacht. Ich   ... ich habe einfach überhaupt nichts bemerkt. Vielleicht war ich zu sehr mit meinen eigenen Sachen beschäftigt. Ich hätte
     mehr nachfragen sollen. Ich hätte bei Trixi anrufen sollen. Ich   ... ich hätte für sie da sein müssen, sie beschützen. Sie ist doch mein Kind!
    F: Flora wusste zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich selbst noch nicht, in welcher Gefahr sie sich befand. Sie konnten nichts merken.
    A: Trotzdem. Es heißt doch immer: Eine Mutter spürt so was. Ich habe nichts gespürt. Null.
    F: Frau Duve, haben Sie eine Ahnung, warumFlora Sie belogen und nicht gesagt hat, dass sie am See ist?
    A: Sehen Sie, noch nicht einmal das habe ich gemerkt. Aber lügen konnte Flora schon immer erschreckend gut. Ich habe sie im
     Krankenhaus gefragt. Sie meinte, ich wäre nur beunruhigt gewesen, wenn sie gesagt hätte, dass sie nachts alleine am See sitzt.
    F: Hat sie gesagt, was sie da wollte?
    A: Alleine sein. Nachdenken.
    F: Worüber?
    A: Weiß ich nicht. Worüber sechzehnjährige Mädchen so nachdenken. Liebe, Zukunft, Sinn, Leben und Tod, richtig und falsch,
     wichtig und unwichtig   ...
    F: Macht Flora das öfters, alleine nachts an den See fahren?
    A: Nicht dass ich wüsste.
    F: Und beim Telefonat haben Sie absolut nichts Ungewöhnliches bemerkt?
    A: Nein. Gar nichts. Sie klang wie immer. Wir haben allerdings nur kurz geredet. Gott, wenn ich daran denke, dass diese Bestie
     da vielleicht schon in ihrer Nähe war   ... Wenn ich mir das vorstelle, wie sie da sitzt, vollkommen wehrlos, nackt, arglos, das Leben liegt vor ihr wie ein Sternenhimmel,
     und dann kommt dieses kranke Monstrum und   ... und   ... Entschuldigung.
    F: Haben Sie eine Vermutung, wer es getan haben könnte?
    A: Ich frage Sie: Wer tut so etwas? Welcher Mensch? Ist das überhaupt ein Mensch?
    F: Könnte es jemand gewesen sein, den Flora kennt?
    A: Sie meinen, ob Flora Feinde hatte? Nein. Höchstens ein paar Neider. Oder Leute, denen sie zu laut ist. Sie steht gerne
     im Mittelpunkt. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie den einen oder anderen mit ihrer etwas schrillen Art nervt, aber das
     ist doch kein Grund, so etwas   ...
    F: Und die Jungs?
    A: Flora hatte schon in der Kinderkrippe Freunde und Verehrer. Der Strom
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