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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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Ende seines Besuches stopft Schanne hastig Füllfeder und Notizen in
seine Jacke. Er bemerkt nicht, dass das Büchlein nicht in die Tasche gleitet,
sondern auf den Teppich fällt.
    Während ein ziemlich bulliger Mann in einem
ziemlich dunklen Anzug den Reporter wortlos über den Gang begleitet, wendet
sich Johann eilig zurück ins Büro.
    Es kommt selten vor, dass Sophie Gross diese Bank betritt. Mit
Geldgeschäften hat sie nichts zu tun, Kreditkarte sei Dank. Aber manchmal
überwältigt sie die Sehnsucht nach Friedrich. Er ist ihr Mann. Trotz allem. Sie
liebt ihn. Trotz allem. Und sie vermisst ihn. Deswegen.
    Heute ist recht wenig los. Kaum Besucher, die der atemberaubenden
Architektur wegen kommen und auch nur eine Handvoll Kunden. Sophie läuft mit
gesenktem Kopf durch den Kassenraum, als genierte sie sich. Als starrten sie
alle an. Als wüssten alle Bescheid. Natürlich hat in Wirklichkeit niemand hier
auch nur die geringste Ahnung. Was damals geschehen ist, hat niemals seinen Weg
an die Öffentlichkeit gefunden. Und was jetzt abläuft, wird ebenso
totgeschwiegen. Dennoch wird Sophie nie ganz das Gefühl los, dass alle Welt sie
beobachtet.
    Sie erreicht die Tür, die ins Innere der Bank und weiter zu
Friedrichs Büro führt. Mit zitternder Hand kramt sie in ihrer Tasche und zieht
einen Handspiegel hervor. „Als ob er das überhaupt noch bemerkten würde“, denkt
sie, als sie Make-up und Frisur kontrolliert. Sophie steckt den Spiegel zurück
und schließt die Augen. Sie ruft sich den Friedrich von früher in Erinnerung.
Den Friedrich, in den sie sich verliebt, den sie geheiratet und dem sie eine
Tochter geschenkt hat. Als sie ihre Augen öffnet, steht er direkt vor ihr,
umgeben von seinem Hofstaat. Johann Schmid ist nicht dabei.
     
    Obwohl Sophie ihren Mann seit mehr als 30 Jahren kennt, ist sie sprachlos:
diese breiten Schultern, der hohe Wuchs, die blassblauen Augen. Einen Moment
lang glaubt sie sich in die Vergangenheit versetzt. Als Friedrich einen Schritt
auf sie zu macht, zuckt Sophie unwillkürlich zurück. Sie findet jedoch schnell
die Fassung wieder und umarmt ihn zaghaft: „Friedrich! Ich weiß, es ist nicht
der richtige Ort und schon gar nicht der passende Zeitpunkt für einen Besuch.“
Friedrich reagiert kaum auf ihre Umarmung. Wider besseres Wissen betroffen
dreht sich Sophie weg und flüstert: „Ich vermisse dich so.“ In diesem Moment
legt sich eine Hand schwer auf ihre Schulter. Ein Schauer läuft Sophie über den
Rücken, als sie ihren Kopf zur Seite neigt und Friedrichs kalte Haut auf ihrer
Wange spürt. Sie atmet tief durch, zaubert ein Lächeln ihr Gesicht und dreht
sich um. Die Leute sollen nicht merken, dass etwas nicht stimmt. Um
Gelassenheit bemüht, plaudert Sophie los. Sie erzählt Friedrich von ihren
Freundinnen, diversen Einkaufstouren und dem neuen Design der Pölster im Salon.
Doch ihr Mann lässt die Worte teilnahmslos an sich vorüberziehen. Interessiert
schielt er auf das Wesen in dem unverschämt kurzen Rock, das eben die Bank
betritt.
    Schließlich spricht Sophie von Anna. Da kommt ein wenig Leben in
Friedrich. Etwas, das wohl ein Lächeln sein soll, huscht über sein ernstes
Gesicht. Sophie erzählt weiter von der gemeinsamen Tochter. Ihr Gatte kommentiert
das hin und wieder mit einem tonlosen „Ah!“ Er wendet seine Augen nicht von der
jungen Asiatin ab, die sich eben bückt und so den Blick auf zwei äußert
wohlgeformte Pobacken freigibt.
    „Ach, Friedrich… Doch nicht vor all den
Leuten! Du kannst es nicht sein lassen. Sogar, wenn ich von Anna spreche. Von
unserem Kind! Unserem einzigen…“ Mehr zu sich selbst sagt sie: „Wie sehr hätte
ich mir gewünscht, dass du mir noch einen Sohn schenkst.“ Kaum hat Sophie
diesen Satz beendet, blickt Friedrich sie durchdringend an und marschiert zu
einem der Bankschalter. Mit einer ungelenken Bewegung fasst er den Jungen, der
dort eben in Begleitung der Mutter sein erstes Sparbuch eröffnet, an der
Schulter und schleift ihn durch den Raum. Mit einem herausfordernden Grunzen
stupst Friedrich den Buben zu Sophie. Seine hochgezogenen Augenbrauen
signalisieren „Zufrieden?“ - „Lass die Scherze, Friedrich! Na, zumindest deinen
Humor hast du offenbar nicht verloren …“ Peinlich berührt tröstet Sophie das
heulende Kind und beruhigt die aufgebrachte Mutter.
    „Bringen Sie ihn zu Pforte.“ – „Ja, genau.“ – „Die sind schon
benachrichtigt.“ – „Passen Sie auf ihn auf, bis er im Wagen sitzt!“ –
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