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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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welche
Bewegung Anna wohl machen müsste, damit der tief angesetzte, weich fallende
Stoff einen Blick auf ihren Hintern ermöglicht. Viel zu früh dreht sich Anna um
und reißt Jo aus seinen halbseidenen Träumen: „Einen grandiosen Ausblick haben
die hier. Magst du noch ein paar Fotos machen? Ich geh inzwischen rein. In
einer halben Stunde ist die Rede von der Zehner und ich will mich vorher noch
ein bisschen umsehen.“ Professionell macht Jo einige Schnappschüsse - erst von
Annas Rückenansicht, dann von der Umgebung. Schließlich lässt er die kleine
Kamera in seine Hosentasche gleiten, lehnt sich an die Balustrade und nimmt
einen großen Schluck von seinem Bier.
    Anna lässt ihren Blick über die mit
unzähligen Pflanzen geschmückte Terrasse zum Mediencenter wandern, während sie
auf die breiten Glastüren zugeht. Wie jedes Jahr hat man das Gebäude in ein
riesiges Festgelände und das Hauptstudio in einen gediegenen Ballsaal
verwandelt. Das Foyer und einige der größeren Räumlichkeiten stehen jenen
Gästen zur Verfügung, die es etwas ausgelassener und nicht so förmlich mögen.
    In der Oberen Aula steppt der Bär. Hauptsächlich in Gestalt einer
als humorlos bekannten Nachrichtensprecherin. Fantasie muss sie jedenfalls haben:
Die begleitende Musik ist ein langsamer Walzer von einem der Sträusse. Amüsiert
betrachtet Anna die Frau, die mit gerafften Röcken wie elektrisiert herumhüpft
und Beifall heischend in die Runde grinst. Als die Vorstellung durch den
peinlich berührten Gatten ein jähes und lautstarkes Ende findet, geht Anna auf
die Galerie. Entspannt lässt sie sich in das Sofa fallen, das nahe am Geländer
steht. Sie schlüpft aus den Schuhen, hebt ihre Beine auf die weichen Kissen und
winkt einen Kellner zu sich. Nachdem er sie mit zwei Brötchen und einem gut
eingeschenkten Glas Welschriesling versorgt hat, beobachtet Anna das Geschehen.
    Das Fest ist an Opulenz kaum zu übertreffen. Sofas laden zum
Ausruhen und Plaudern ein. Dienstbare Geister bieten auf silbernen Tabletts
Köstlichkeiten aus Küche und Keller an. Orchideen und Jasminsträucher
verbreiten einen nahezu berauschenden Duft. In der Mitte der Aula erhebt sich
ein Springbrunnen, aus dem Champagner sprudelt. Dezent hinter zarten Vorhängen
versteckt fiedelt sich ein Streichquartett quer durch die österreichischen
Klassiker des 19. Jahrhunderts.
    Auf den ersten Blick passen sogar die teuer
gekleideten Gäste zum feinen Rahmen. Auf den zweiten Blick wären manche in
einer Kuriositätenschau besser aufgehoben. An einem Stehtisch direkt unter Anna
zieht sich ein etwas dicklicher Mann hingebungsvoll kleine schwarze Körnchen
durch die Nase. In einen leider nicht ausreichend dunklen Winkel gedrückt tun
zwei Gestalten so, als würden sie sich nicht kennen. Die Darbietung wird
unglaubwürdig, als der eine die Hand in den Schritt des anderen legt und beide
einen deutlich verklärten Gesichtsausdruck bekommen. Neben der Terrassentür
lässt sich ein prominenter Baulöwe interviewen. Seine aktuelle Gespielin, bei
der sich sowohl Alter als auch IQ im Zahlenraum 20 abspielen, steht daneben und
grinst dümmlich. Der Rest der Anwesenden ergeht sich in mehr oder weniger
geistreichen Gesprächen, labt sich an Champagner und Brötchen und flirtet, als
gäbe es eine Belohnung. Die gibt es auch. In dieser Liga wird nicht über den
Berg geheiratet. Geldadel verpflichtet.
    Nach einer Weile hat Anna genug gesehen und bricht ihr Lager auf der
Galerie ab. Mit einiger Mühe quält sie ihre Füße in die Schuhe und fragt sich,
warum sie nicht ihre Hausschuhe anbehalten hat. Unter dem Kleid hätte das
niemand bemerkt. Während sie die breite Treppe hinuntergeht, sucht sie den Saal
nach Jo ab.
    Sie entdeckt ihn an einem Stehtisch unter
der Galerie, auf dem einige Pfefferkörner und ein vollgeschneuztes Taschentuch
liegen. „Die hab ich von den Lachsbrötchen runtergestiebitzt. Kräuter und
Gewürze sollen die geistige Leistungsfähigkeit um mindestens 100 Prozent
steigern!“, röchelt Jo, als Anna erst die Körner und dann ihn fragend ansieht.
„Solange es deinen Blick geschärft hat, soll es mir recht sein. Kommst du mit
hinauf? Die Zehner hat gleich ihren Auftritt“, meint sie und geht davon. Jo
folgt ihr leicht taumelnd. Am Buffet lässt er eine weitere Prise Pfefferkörner,
drei Zitronenspalten und zwei Büscheln Petersilie mitgehen. Man weiß ja nie.
    Brust an Brust und Schulter an Schulter drängen sich die Gäste im
und durch den großen Festsaal.
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