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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition)
Autoren: Alkestis Sabbas
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kennt.
    Nicht nur äußerlich hat Dr. Friedrich Gross sich verändert. Vor
seiner Auszeit ist der Banker ein geselliger, humorvoller, aktiver Mann und
liebender Familienmensch gewesen. Heute verlässt er sein Büro kaum noch, lässt
sich nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken und seine Sozialkontakte
beschränken sich auf sein serviles Gefolge. Das besteht neben Johann Schmid aus
diversen Lakaien, Speichelleckern sowie einem schrankähnlichen Schatten mit
verspiegelten Sonnenbrillen.
    Etwas ziemlich Einschneidendes muss damals
vorgefallen sein. Manche munkeln, dass Friedrich seine Aktien nicht nur bei der
Gattin hat steigen lassen und deshalb zu Hause nicht mehr so herzlich
willkommen ist. Ein anderes Gerücht besagt, dass Friedrich nicht in Klausur,
sondern Opfer von Erpressern gewesen und deshalb paranoid geworden ist. Nichts
davon ist jemals bewiesen oder bestätigt worden. Johann Schmid hat ganze
Öffentlichkeitsarbeit geleistet.  Doch gerade deshalb ist der Journalist der ÖK.h hier - um die Wahrheit herauszufinden. Davon hat Schmid natürlich keine Ahnung.
Hätte Schanne nicht diese an Peinlichkeit grenzende, vor Schleim triefende
dreiteilige Reportage über Dr. Gross vorgeschoben, wäre er nicht einmal in
dessen mittelbare Nähe gekommen.
    „Herr Schanne, bitte setzen Sie sich doch da drüben aufs Sofa. Sehen
Sie Dr. Gross eine Weile zu. Für einen Profi wie Sie ist doch sicher alleine
das Beobachten eine wahre Quelle an Inspiration und Ideen. Ich lasse Ihnen auch
gleich Kaffee und ein Stückerl Gugelhupf bringen.“
    Ohne den Journalisten aus den Augen zu lassen, gleitet Schmid zur
Tür und gibt einer vorübereilenden Praktikantin leise ein paar Anweisungen. Die
Angesprochene hat ein sehr zartes Nervenkostüm. Oder sie ist überwältigt, dass
Johann Schmid, quasi der Richelieu des ÖCuSKA-Imperiums, ausgerechnet ihr eine
Aufgabe überträgt. Ihr mädchenhaft rosiges Gesicht verliert augenblicklich die
Farbe und die Akte auf ihrem rechten Arm den Halt. Eine Entschuldigung
stammelnd klaubt sie die verstreuten Papiere zusammen und eilt davon. Mit einem
Lächeln und wiegender Hüfte geht Schmid an Schanne vorbei zu seinem Pult, der
nur wenige Schritte von Friedrichs Schreibtisch entfernt steht: „Sie müssen
entschuldigen, aber ich habe noch einiges zu erledigen. Ihre Jause wird gleich
gebracht. Machen Sie es sich gemütlich. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich
bitte an mich.“
     
    Während Schmid Telefonate führt und Unmengen an Schriftstücken
bearbeitet, lässt er den Journalisten nicht aus den Augen. Wie ein Krokodil
seine Beute hat er sein Gegenüber durch halb geschlossene Augen im Visier.
Sonst stets draufgängerischer Herr der Lage versucht Schanne etwas
verunsichert, die Blicke zu interpretieren. Was soll diese offenbar getrimmte,
vermutlich ein wenig geschminkte, jedenfalls süffisant hochgezogene Augenbraue?
Der Journalist ist sich einen Augenblick lang nicht sicher, ob ihn Schmid im
nächsten Moment rauswerfen oder küssen will.
    In diesem Moment stolpert die Praktikantin
ins Zimmer und stellt ein Tablett mit Kaffee und Kuchen auf einem Tisch neben
dem Sofa ab. Sprachlos starrt sie zu Friedrich hinüber, der ihr zwischen seinen
Bildschirmen hindurch ein breites und ziemlich naives Grinsen schenkt. Auf ein
Hüsteln von Schmid erwacht die junge Frau aus ihrer Erstarrung und sagt: „Ich
habe erledigt, was Sie gewünscht haben. Beides.“ Johann entlässt sie mit einem
Blick, der „Ein Wort darüber und du bist Futter für die Geier, Kleine“ zu sagen
scheint.
    „Fein, da ist also Ihre Jause, Herr Schanne. Ich hab jetzt auch ein
wenig Zeit zum Plaudern. Haben Sie Fragen? Nein? Schön, schön. Das ist gut. Und
sonst? Wie läuft das Geschäft? Rauscht´s im Blätterwald?“ Johann streicht sich
mit seiner schmalen Hand durchs Haar und blickt sehr nachdenklich. Irgendwie
hat Schanne den Eindruck, als wollte Schmid unbedingt mit ihm reden.
Wahrscheinlich, um von Gross abzulenken. Oder, um ihn anzubraten.
    „Was sagen Sie zur Krise in Griechenland? Eine Schande, was EU und
Euro aus diesem Land gemacht hat, nicht wahr?“ Das ist eindeutig kein
Flirtversuch. Ein wenig enttäuscht überlegt Schanne einen Augenblick und meint
dann: „Tja, was wollen Sie? Diese Fettbäuche in Frankfurt zocken ein Land nach
dem anderen ab. Wie Heuschrecken ziehen sie von einem Mitgliedsstaat zum
nächsten und lassen dann außer Armut und Verzweiflung nur einen löchrigen
Schirm zurück. Irgendwann werden sie
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