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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt
Autoren: T Weaver
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besucht hat. Als er zur Uni ging, ist sie ihm nachgezogen.«
    »Was hat sie dort gearbeitet?«
    »Sie hatte einen Job in einem der Pubs in der Nähe des Campus.«
    Ich notierte ihre Adresse. Ich würde mir eine plausible Geschichte für einen Anruf ausdenken müssen. Schließlich war Alex seit mehr als einem Jahr tot.
    Als hätte sie meinen Gedankengang erraten, sagte Mary: »Was werden Sie ihr erzählen?«
    »Dasselbe, was ich allen sagen werde. Dass Sie mich gebeten haben, die letzten Schritte ihres Sohnes zu rekonstruieren. Irgendwie stimmt es ja sogar. Sie möchten Bescheid wissen.«
    Sie nickte.
    »Ja, das möchte ich.«
    Mary stand auf und trat an eine Schublade im Wohnzimmer. Sie öffnete sie und nahm einen Briefumschlag heraus, um den ein elastisches Band gewickelt war. Sie legte den Umschlag vor mich hin auf den Tisch.

    »Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, dass dies hier kein Scherz ist«, sagte sie und öffnete den Umschlag an einer Ecke, sodass ich das Geld darin erkennen konnte.
    Ich legte meine Hand auf den Umschlag und zog ihn zu mir heran, wobei ich Mary im Auge behielt, deren Blicke dem Geld auf dem Tisch folgten. »Was glauben Sie, warum Alex so wenig Bargeld mitgenommen hat?«
    Sie löste den Blick von dem Umschlag und wirkte für einen Moment unsicher über die Abmachung, die sie gerade eingegangen war. Vielleicht hatte sie jetzt, wo sie mir die Verantwortung übertragen hatte, einen Moment der Klarheit verspürt: Im Hinblick auf alles, um das sie mich gebeten hatte – und alles, was sie glaubte, gesehen zu haben.
    Ich wiederholte die Frage. »Warum so wenig Geld?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte er nur so viel, um woanders neu anfangen zu können.« Sie sah sich im Zimmer um. Dann seufzte sie leise. »Ich habe eigentlich nie wirklich begriffen, was Alex getan hat. Er hatte ein gutes Leben.«
    »Könnten Sie sich vorstellen, dass es ihn gelangweilt hat?«
    Sie zuckte die Schultern und senkte den Kopf.
    Ich betrachtete sie einen Moment und begriff, dass zwei Geheimnisse aufzuklären waren: Warum Mary glaubte, Alex ein Jahr nach seinem Tod lebendig gesehen zu haben, und warum Alex damals überhaupt verschwunden war.
     
    Sein Zimmer war klein. An den Wänden hingen Poster von Musikern. In den Regalen standen die Schulbücher, mit denen er fürs Abitur gelernt hatte. In einer Ecke befanden sich ein Fernseher mit verstaubtem Bildschirm und direkt daneben ein Videorecorder, auf dem sich mehrere alte Kassetten türmten. Ich schaute sie durch. Offenbar hatte Alex einmal eine Schwäche für Actionfilme gehabt.

    »Er war ein richtiger Filmfreak.«
    Ich wandte mich um. Mary stand in der Tür.
    »Ja, das sehe ich. Er hatte einen guten Geschmack.«
    »Finden Sie?«
    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« Ich nahm eine Kassette mit Stirb langsam und hielt sie hoch. »Ich war in den Achtzigerjahren Teenager. Das ist mein Citizen Kane .«
    Sie lächelte. »Vielleicht hätten Sie beide sich gut verstanden.«
    »Wir hätten uns ganz sicher gut verstanden. Ich muss mir diesen Film im letzten Jahr ungefähr fünfzig Mal angesehen haben. Er ist das beste Antidepressivum auf dem Markt.«
    Wieder musste sie lächeln. Sie ließ den Blick durch das Zimmer wandern, bis er an einem Foto von Alex nahe bei der Tür hängen blieb.
    »Es ist schwer, alles so zu belassen.«
    Ich nickte. »Ich weiß.«
    »Sind Sie auch so?«
    »Ganz genau so.«
    Sie nickte mir zu, fast als wollte sie Danke sagen; als wäre es eine Erleichterung, nicht die Einzige zu sein. Ich schaute zur anderen Seite des Zimmers, wo zwei Kleiderschränke nebeneinander an der Wand standen.
    »Was ist da drin?«
    »Ein paar Kleidungsstücke, die er zurückgelassen hat.«
    »Darf ich sie mir ansehen?«
    »Natürlich.«
    Ich ging hinüber und öffnete die Schränke. Auf den Bügeln hingen nur wenige Kleidungsstücke, bloß ein paar alte Hemden und ein muffig riechender Anzug. Ich schob sie auf einer Seite der Stange zusammen und entdeckte auf dem Boden ein Fotoalbum und weitere Bücher.
    »Gehörte das alles Alex?«

    »Ja.«
    Als ich das Album öffnete, fielen einige Bilder heraus. Ich schob sie zusammen und hob sie vom Boden auf. Auf dem obersten Foto war Alex mit einer jungen Frau zu sehen, bei der es sich um seine Freundin handeln musste.
    »Ist das Kathy?«
    Mary nickte. Ich legte das Foto beiseite und schaute mir die übrigen an. Alex und Mary. Mary und Malcolm. Ich hielt ein Foto von Malcolm und Alex auf irgendeinem Campingplatz hoch. Es musste
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