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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Autoren: Minck
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angekommen, musste ich einsehen, dass unkontrollierte Nahrungsaufnahme bei gleichzeitiger Bewegungslosigkeit einfach zu indiskutablen Ergebnissen führte. Ich war immer noch unglücklich und zusätzlich noch bei Konfektionsgröße 44/46 angelangt. Deshalb war ich sehr froh, dass mein neuer Vermieter beim Mobiliar keinen Wert auf einen großen Spiegel gelegt hatte. Als allmorgendlicher Gruselfilm würde der Anblick meiner Hamsterbacken im Alibert-Standardmodell völlig ausreichen.
    Zur Einweihung meiner kümmerlichen neuen Bleibe ging ich aufs Klo, pinkelte ausgiebig und hoffte, dass die Porzellanschüssel unter meinem Gewicht nicht zusammenbrechen würde. Das hätte nämlich auf einen Schlag eine große Population unschuldiger Silberfischchen ausgelöscht.
    Da stand ich dann ratlos auf 22 Quadratmetern herum, verbrauchte mit meiner Leibesfülle schon fast die Hälfte davon und versuchte, mich zu erinnern, in welchem der fünf Umzugskartons der kleine Bialetti Espressokocher wohl stecken könnte. Ich ging für meine Verhältnisse zielstrebig vor und kippte alle fünf Kartons auf dem Boden aus. Dabei zerbrach meine Lieblingstasse, die mit dem Gesicht von Prince Charles, aber sie war noch zu gebrauchen, nur der Henkel, sprich eines seiner Ohren, war abgebrochen. Ich kniete auf dem Boden, sammelte den abgesprungenen Henkel ein und begann zu flennen, als wäre Prince Charles beim Polo mit tödlichem Ausgang von Camilla gefallen.
    Auf dem Fußboden hockend, mit der demolierten Tasse in der einen und den Überresten des royalen Ohres in der anderen Hand, hatte ich plötzlich das vage Gefühl, beobachtet zu werden. Jetzt bloß keinen Spanner zum Einstieg in mein neues Leben, von dem ich hoffte, dass es nur so lange dauern würde, bis ich aus diesem Albtraum endlich aufwachte. Und aufwachen würde ich, auch wenn bis jetzt alles dagegen sprach, und zwar würde ich bei der Fernsehpreisverleihung aufwachen, genau in dem Moment, in dem ich den Preis für das beste Drehbuch des Jahres entgegennehme. Leider ließ das mit Johlen, Pfiffen und Hurrarufen angereicherte Crescendo der mir geltenden Standing Ovation auf sich warten. Also drehte ich mich langsam um, die Tasse als Wurfgeschoss in der rechten Hand. Ich blickte in zwei riesige Pupillen, auf fünf krumme Schnurrbarthaare, zwei pelzige Ohren, eins davon aussehend wie ein schlapper Kamm. Ich wuchtete meine 72 Kilo hoch, öffnete das Fenster, und der nasse schwarze Kater kam rein, setzte sich aufs Fensterbrett und fing an, sich zu putzen.
    »Nett, Sie kennen zu lernen. Ich heiße Maggie«, schniefte ich ihn an.
    Der Kater blickte von seinem Putzgeschäft kurz hoch, gähnte mich gelangweilt an und putzte sich weiter.
    »Na toll, sieht aus wie der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Mistvieh.«
    Für diese arrogante Missgeburt im Pelz fiel mir nur ein würdiger Name ein: Dr. Thoma.
    Mit dem Inhalt der Umzugskartons war auch der Restinhalt meines ehemaligen Kühlschranks auf den Boden gerollt. Ich hob eine Packung Fleischsalat auf und kontrollierte das Verfallsdatum: Nur drei Tage drüber, genau das Richtige für meine Housewarming-Party mit meinem neuen Freund. Zum Kaffee wollte Dr. Thoma dann doch nicht bleiben. Nachdem er eine Runde mit den Silberfischchen Fangen gespielt hatte, saß er zwischen Gitter und Fensterbrett, blickte besitzergreifend im Vorgärtchen umher und schob von dannen.
    Ich hätte ihn gerne gefragt, ob er sich noch mal melden würde, aber da ich mir geschworen hatte, Männer nie wieder zu fragen, ob sie mich anrufen oder ob ich sie noch mal wiedersehe, ersparte ich mir die Schmach einer möglichen Absage. Als die kleine Bialetti vor sich hin gurgelte, fiel mir der Brief vom Arbeitsamt ein, den ich in der Hektik des Umzuges, die ja eigentlich nur darin bestanden hatte, so schnell wie möglich soviel Abstand wie möglich zwischen die alte und die neue Wohnung zu legen, in meine Manteltasche geknüllt hatte. Arbeitsamtmän geruhte, mir zu schreiben. Nicht, dass er das nötig gehabt hätte, denn als Freelancer im Autorengeschäft schreibt man Rechnungen und darf niemals in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Das ist die Strafe dafür, dass man hemmungslos Zeitschriften und Bücher in der Einkommenssteuererklärung absetzen kann; und wenn’s dann mal schief geht, wird man auf dem Arbeitsamt ordentlich ausgelacht. Die haben ja auch sonst nichts zu lachen. Trotzdem hatte der Herr Arbeitsvermittler meinen Antrag auf Arbeitssuche gnädig entgegengenommen,
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