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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Autoren: Minck
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sein. Dass ich schon seit Wochen Selbstgespräche führte, fiel mir schon nicht mehr auf.
    Immerhin wusste ich, wer an dem ganzen Desaster Schuld war, allerdings konnte ich mit diesem Wissen nicht mehr anfangen, als es einfach zu haben und mich damit unterirdisch mies zu fühlen.
    Vor einem Jahr hatte mich der Mann verlassen, von dem ich glaubte, dass ich ihn schon immer geliebt hatte und immer lieben würde. Er liebte mich auch, ehrlich, bis ihm plötzlich und unerwartet klar wurde, dass er wieder zurück zu seiner Frau wollte, die er eigentlich nie hatte heiraten wollen, dann aber doch noch einen Schlenker zu einer bekannten Autorin, natürlich erfolgreicher als ich, gemacht hatte, um dann, sein ursprüngliches Ziel völlig aus den Augen verlierend, bei einer unbedarften 25-jährigen Kostümbildnerin zu landen. Soweit war ich bei dem irrsinnigen Flug des losgelassenen Luftballons, der pfeifend durch die Luft mäanderte, noch mitgekommen. Schließlich verweigerte ich ihm aus reinem Selbstschutz das Interesse an weiteren Rechtfertigungen seines von Testosteron stark geblähten männlichen Gehirns. Kaum hatte er mitgekriegt, dass ich – statt meiner üblichen Tasse Kaffee – ein langes Fleischmesser in der Hand hielt, hatte er seine Hasselblad, seine Fotomappe und seinen Peter Lindbergh Großbildfotoband mit persönlicher Widmung des Großmeisters in seinen Angeber-Volvo gepackt und war aus meinem Leben verschwunden.
    Zunächst hatte ich das Penthouse behalten – hauptsächlich aus Trotz –, die Zähne zusammengebissen und geschuftet wie ein Pferd. Ich übersah fehlendes Mobiliar, Lücken im Bücherbord und eine kahle Stelle beim Frühstück am provisorischen Campingtisch. Nachts schrieb ich lustige Comedy-Shows, und tagsüber verschlief ich meinen Gram auf der mir verbliebenen Gästecouch. Ich ernährte mich von Spaghetti mit Sahnesauce und gab vor, meine Lage völlig im Griff zu haben, bis mein Gehirn versagte – zumindest der Teil davon, der mir meinen Lebensunterhalt sicherte. Meine kreative Basisstation im Kopf verabschiedete sich eines Tages unvermittelt, ohne Vorwarnung. Eben noch hatte ich alle Freunde angerufen, um die mir zustehenden Ovationen wegen eines Tatort -Deals abzuholen, der mich in den Olymp der deutschen Fernsehautoren befördern sollte, und im nächsten Moment saß ich hilflos am Schreibtisch. Houston, ich habe ein Problem! Aber Houston meldete sich nicht mehr.
    Noch ein paar Wochen und etliche Packungen Spaghetti später, die drohende Deadline für die Abgabe des Drehbuches vor meinen starren Augen, rief ich in Panik einen Freund in München an, der zwar nicht zu den Quatschtanten des Business gehörte, der aber das Grauen, das mich erfasst hatte, gar nicht begreifen wollte. Er hatte sich nämlich soeben in die junge Frau von der Englischen Videothek in Schwabing verknallt, und daher wollte und konnte er weder von München nach Köln kommen, um mir zu helfen, noch war er, ebenfalls testosteronbedingt, in der Lage, mir dabei zu helfen, dieses mysteriöse Verschwinden einer ganzen Gehirndatei aufzuklären. Ich flehte ihn an, das Drehbuch für mich zu schreiben, natürlich gegen Überlassung des gesamten Honorars. Alles nur, weil ich mein Gesicht wahren wollte. Seine Antwort war Nein. Neben seinem äußerst anstrengenden Gebalze musste er schließlich noch monatlich drei Drehbücher für Marienhof abliefern. Das reichte ihm an Aktivität vollkommen aus. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wechselte er abrupt das Thema und versuchte ernsthaft, mit mir darüber zu diskutieren, ob es sich für ihn überhaupt lohnen konnte, mit einer zehn Jahre jüngeren Frau was anzufangen. Mein ganzes Leben löst sich gerade in Luft auf, und der Kerl, genannt bester Freund, macht sich Sorgen um das Alter seiner neuen Tussi?
    Ja klar, verstehe ich doch. Selbst-ver-ständlich! Natürlich freue ich mich für dich – krieg vierzehn Kinder mit der Schlampe, und rauft euch täglich die Haare über ausgequetschte Zahnpastatuben! Zur Goldenen Hochzeit bringe ich dir einen Gutschein für die Prostatavorsorge beim Proktologen mit.
    Nach dieser Abfuhr steckte ich bis Oberkante/Unterlippe tief in der Gülle. Wenn jetzt noch ein Eimer voll von oben kommt … ducke ich mich dann oder nicht? Der Pegel stieg unaufhörlich, und ich konnte mir noch nicht einmal mehr erlauben, mit den Zähnen zu klappern.
    Weitere drei Wochen und unaussprechlich viele Spaghettipackungen später gab es keine Ausreden und keine Fluchtwege mehr.
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