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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
Autoren: Minck
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anzuschauen, hatte ich den nächsten Heulkrampf. Mir wurde schlagartig klar, dass alles, mein ganzes Leben ab jetzt so aussehen würde wie der Sonnenaufgang über der Wüste in diesem Billigmodell von Fernsehgerät, das seinen Namen kaum verdiente: unscharf, klaustrophobisch, klein und vor allem – nichtssagend!
    Dr. Thoma schaute mir von draußen kurz beim Heulen zu und stolzierte dann mit leicht angewidertem Blick von dannen. Vielleicht hatte er ja an der nächsten Ecke eine wesentlich bessere Gesellschaft zu erwarten. Es regnete nicht mehr, und der Fleischsalat war auch alle. Ich ließ das Rollo herunter. Für heute war mein Bedarf am Weltgeschehen gedeckt.
    Das Wochenende verbrachte ich, neben kleinen Aufräumarbeiten und der Reparatur von Charles’ Ohr, mit der Durchsicht der bunten Magazinwelt der Bestatter und Thanatologen sowie mit der Broschüre von Pietät Sommer.
    Man macht sich ja keinen Begriff, was eine Bestattung so kostet! Allein ein Wahlgrab nur für mich allein würde mit 5000 Mille zu Buche schlagen. Für die Kohle würde ich mich lieber an Châteauneuf du Pape zu Tode saufen. Dann könnten sie mich auch getrost ein Jahr in meiner Wohnung liegen lassen und dann mit dem Kehrbesen in die Mülltonne befördern. Ich sollte mir deswegen schon mal einen grünen Punkt auf den Allerwertesten tätowieren lassen. Das würde es den Müllmännern erleichtern, mich in den gelben Sack zu sortieren.
    Sehr hübsch fand ich die Beschreibung eines Urnengrabes: Urnengrab inkl. Friedhofsunterhaltungsgebühr und Glockenläuten. All-inclusive-Beerdigungen, der letzte Schrei auf dem Bestattermarkt. Neben Glockenläuten könnte man doch auch noch die Klageweiber wieder an die Front bringen. Selber heulen verdirbt doch nur das Make-up. Sogar die Baumwollhandschuhe der Sargträger wurden einzeln berechnet. Die Konsultation eines Thanatopraktikers, also schlicht des Einbalsamierers, kostete einen Tausender extra. Dafür sah man dann aber nach der Behandlung durch den Thanatopraktiker besser aus als im richtigen Leben. Das Programm hieß »Offene Aufbahrung«. Nachdem sie einem das Blut gegen diverse, vermutlich streng riechende Flüssigkeiten ausgetauscht hatten, konnten die Angehörigen sich ordentlich Zeit lassen, mal im Kühlhaus vorbeizuschauen und Tschüss zu sagen. Dann wurde man mit einem sinnlos langen Haltbarkeitsdatum in die Gruft gesenkt, was vor allem den traditionellen Nutznießern der Erdbestattung, sprich Maden und Würmern, geschmacklich nicht sehr entgegenkommen dürfte. Okay, für Überführungen mit dem Flieger konnte das nützlich sein. Sonst gäbe es bei der Ankunft von Onkel Freddy selig in Australien vielleicht eine böse Überraschung für den Zoll. Ob bei meinen Businessflügen oder Urlaubsreisen wohl auch schon mal eine Leiche im Gepäckraum mitgeflogen war? So, wie es hier beschrieben wurde, war das ein ganz alltäglicher Vorgang. Ich war froh, dass in dem Artikel über Überführungen betont wurde, dass es in den Fliegern extra abgetrennte Abteile für Leichentransporte gebe und dass die Särge speziell verschweißte Exemplare seien. Da bekam der Songtitel Knockin’ on Heaven’s Door doch gleich eine ganz andere Bedeutung. Am Sonntagnachmittag war ich komplett ins Bestatteruniversum eingetaucht. Ich musste einsehen, dass es eine Menge kostet, um heile in diese Welt zu fallen, aber auch einen schönen Batzen, um wieder aus ihr zu verschwinden, vor allem hygienisch einwandfrei.

02
    »Frau Abendroth!«
    Menschenskind! Was will der Mann denn ausgerechnet jetzt? Ich hatte mir gerade erst meine Nachmittagszigarette angesteckt und hatte für die morgige Bestattung noch immer keinen Organisten herbeigezaubert. Ich hoffte, aus den Rauchkringeln, die ich blies, alsbald eine zündende Idee herauslesen zu können. Vielleicht könnte sich – meine achtwöchige Probezeit, absolviert ohne nennenswerte Zwischenfälle, war seit gestern abgelaufen – zur Feier des Tages gnädigerweise aus dem Rauch eine gute Fee materialisieren, bei der ich drei Wünsche frei hätte. Also, Nummer eins wäre ein neuer Job, Nummer zwei wäre ein Einkaufsgutschein für London, Paris und Tokio, genau in der Reihenfolge, im Wert von unermesslich vielen Dollar, Phantasmillionen von Dollar am besten. Numero drei … eine funktionierende Beziehung? Nein, vielleicht doch zu früh. Noch nicht. Obwohl, die Fee könnte mit der Recherche so langsam anfangen. Meine stillen Betrachtungen zum Thema »Wenn-ich-wieder-reich-wär« wurden
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