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Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan

Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Totgeglaubte leben länger: 8. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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nichts ein. Also griff ich wieder zu einem Klischee.
    »Ich weiß wirklich, was für ein Schmerz es ist, eine geliebte Person zu verlieren.«
    Doras rechte Wange zuckte. Sie ließ die Schultern hängen und senkte den Kopf.
    Ich ging zu ihr, kauerte mich hin und legte meine Hand auf ihre.
    »Warum Avram?« Tränenerstickt. »Warum mein einziger Sohn? Es sollte nicht sein, dass eine Mutter ihren Sohn begräbt.«
    Miriam sagte etwas auf Hebräisch oder Jiddisch.
    »Wer ist dieser Gott? Warum tut er uns das an?«
    Miriam sagte noch etwas, diesmal mit leisem Tadel in der Stimme.
    Dora schaute zu mir hoch. »Warum hat er mich nicht genommen? Ich bin alt. Ich bin bereit.« Die runzligen Lippen zitterten.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Ma’am.« Jetzt klang auch meine Stimme heiser.
    Eine Träne tropfte von Doras Kinn auf meinen Daumen.
    Ich schaute diesen einzelnen Tropfen an.
    Ich schluckte.
    »Kann ich Ihnen einen Tee bringen, Mrs. Ferris?«
    »Wir kommen schon zurecht«, sagte Miriam. »Vielen Dank.«
    Ich drückte Dora die Hand. Die Haut fühlte sich trocken, der Knochen spröde an.
    Da ich mir nutzlos vorkam, stand ich auf und gab Miriam meine Karte. »In den nächsten paar Stunden bin ich dort oben. Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, zögern Sie nicht, mich anzurufen.«
    Beim Verlassen des Familienzimmers fiel mir einer der bärtigen Beobachter auf, der auf der anderen Seite des Gangs stand und zu mir herüberschaute.
    Als ich an ihm vorbeigehen wollte, stellte sich mir der Mann in den Weg.
    »Das war sehr freundlich.« Seine Stimme hatte etwas Krächzendes, er klang ein wenig wie Kenny Rogers, wenn er »Lucille« sang.
    »Eine Frau hat ihren Sohn verloren. Eine zweite ihren Ehemann.«
    »Ich habe sie da drinnen gesehen. Offensichtlich sind Sie ein Mensch des Mitgefühls. Ein Mensch der Ehre.«
    Worauf wollte er hinaus?
    Der Mann zögerte, als wäre er unschlüssig in Bezug auf seinen nächsten Schritt. Dann griff er in die Tasche, zog einen Umschlag heraus und gab ihn mir.
    »Das ist der Grund, warum Avram Ferris tot ist.«

2
    Der Umschlag enthielt ein einzelnes Schwarz-Weiß-Foto. Abgebildet war ein auf dem Rücken liegendes Skelett, den Schädel zur Seite gedreht, den Unterkiefer heruntergeklappt wie in einem stummen Schrei.
    Ich drehte das Foto um. Auf der Rückseite stand ein Datum, Oktober 1963, und eine verschmierte Abkürzung. H de 1 H. Vielleicht.
    Ich schaute den bärtigen Herrn, der mir den Weg versperrte, fragend an. Er machte keine Anstalten zu einer Erklärung.
    »Mr. –?«
    »Kessler.«
    »Warum zeigen Sie mir das?«
    »Ich glaube, das ist der Grund, warum Avram Ferris tot ist.«
    »Das haben Sie bereits gesagt.«
    Kessler verschränkte die Arme. Löste sie wieder voneinander. Rieb sich die Handflächen an der Hose.
    Ich wartete.
    »Er sagte, er wäre in Gefahr.« Kessler deutete mit vier Fingern auf das Foto. »Meinte, wenn ihm irgendwas zustoßen sollte, dann deswegen.«
    »Hat Mr. Ferris Ihnen das gegeben?«
    »Ja.« Kessler schaute sich um.
    »Warum?«
    Kessler antwortete mit einem Achselzucken.
    Ich senkte den Blick wieder zu dem Foto. Das Skelett war ganz ausgestreckt, der rechte Arm und die Hüfte zum Teil von einem Felsbrocken oder einer -kante verdeckt. Neben seinem linken Knie lag ein Objekt im Sand. Ein vertrautes Objekt.
    »Woher kommt das Foto?« Ich hob den Kopf. Kessler schaute sich schon wieder um.
    »Aus Israel.«
    »Mr. Ferris hatte Angst um sein Leben?«
    »Eine Heidenangst. Er meinte, wenn das Fotos ans Licht käme, würde es ein Chaos geben.«
    »Was für eine Art von Chaos?«
    »Das weiß ich nicht.« Kessler hob die Handflächen. »Schauen Sie, ich habe keine Ahnung, was für ein Foto das ist. Ich weiß nicht, was es bedeutet. Ich habe mich nur einverstanden erklärt, es an mich zu nehmen. Das ist alles. Das ist meine Rolle.«
    »Was für eine Verbindung hatten Sie zu Mr. Ferris?«
    »Wir waren Geschäftspartner.«
    Ich streckte ihm das Foto wieder hin. Kessler ließ die Hände sinken.
    »Erzählen Sie Detective Ryan, was Sie mir eben erzählt haben«, sagte ich.
    Kessler trat einen Schritt zurück. »Sie wissen, was ich weiß.«
    In diesem Augenblick läutete mein Handy. Ich zog es vom Gürtel.
    Pelletier.
    »Habe noch einen Anruf wegen Bellemare bekommen.«
    Kessler ging um mich herum und auf das Familienzimmer zu.
    Ich wedelte mit dem Foto. Kessler schüttelte den Kopf und eilte den Gang hinunter.
    »Sind Sie soweit, dass Sie den Cowboy freigeben können?«
    »Ich
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