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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt
Autoren: Sam E. Maas
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Pornographie. Es ging ihm aber schon merklich besser, seine Apathie hatte nachgelassen. Manchmal schlich er durch das Haus, meistens um sie zu suchen, falls er sie länger nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Anders bei der Rückreise, da hatte sie ihn im Rollstuhl zum Flughafen transportieren müssen und zum Flugzeug waren sie in einem dieser lächerlichen Elektrowagen gefahren, welche hauptsächlich dafür benutzt wurden, extrem fettleibige Passagiere herum zu kutschieren. Ihre Tickets hatte man überraschenderweise aufgewertet, sie waren erster Klasse geflogen. Ein Abschiedsgeschenk, hatte Marie entschieden.
    „Heeey, Susiii!“, sagte der gut gelaunte Mann vom Lieferservice.
    „Heeey Boris!“, schnappte Marie dessen Ton auf.
    „Na, wie geht's?“, fragte er.
    „Super, wie sonst?“, antwortete sie. „Komm doch rein.“
    „Gerne, gerne. Hast du vielleicht 'nen Kaffee?“
    „Für dich setz ich sogar frischen auf.“
    „Oh, wie nett.“
    Er kam herein, zog sich die Schuhe aus und erblickte Caspar.
    „Hallooo“, sagte Boris.
    „Oh, Boris, psssscht, er ist krank“, klärte Marie ihn auf.
    „Lass uns in die Küche gehen.“
    „Sorry, hatte ja keine Ahnung“, entschuldigte sich dieser.
    „Ach, kein Thema“, beruhigte sie ihn.
    Caspars Kopf streckte sich empor, er sah sich den Gast an. Er hatte den selbsternannten Engel noch nie zuvor gesehen. Er war ein Mensch. Groß, dicklich, stark, trug ein Rocker Outfit. Caspars Kopf tauchte wieder ab. Er hörte nichts von der angeregten Plauderei, welche die zwei führten und bemerkte nicht, dass der Mensch wieder verschwand. Und aus dem Nichts, so schien ihm, kam seine Schwester zu ihm. Sie saß auf der Armstütze, blickte ihn mit ihren großen, blauen Augen an.
    „Caspar?“
    „Ja?“
    „Wie geht's dir?“
    „Hm.“
    „Ich habe da eine Überraschung für dich“, sagte Marie.
    „OK.“
    „Du musst aber aufstehen, mit mir mitkommen.“
    „Aaach“, machte Caspar.
    „Komm schon, Kleiner! Ich helf dir hoch“, sagte sie und zerrte ihn an seinem Arm, bis er nachgab und sich aufrichtete. Sie deutete auf seine Schuhe, er zog sie sich an und sie führte ihn an der Hand aus dem Haus, über den Hof, hin zum Nebenhaus. Sie stiegen in den Keller. Im Spielzimmer angekommen rief sie „Tadaaaa“ und warf die Arme auseinander.
    Vor ihm auf dem silberglänzenden Tisch aus Edelstahl lag eine an den Füßen und Händen gefesselte Schönheit. Sie riss die Augen weit auf, als sie die beiden erblickte. Rötliches Haar, blasse Haut mit wenigen Sommersprossen im Gesicht. Sie weinte. Sie zappelte, doch die Fesseln hielten sie, sie schrie, doch der Knebel erstickte die Laute. Das arme Ding schaute ohne jeden Zorn, flehte nur, denn die Beute vergaß immer, es machte keinen Sinn zu versuchen, dem Jäger das Herz zu erweichen.
    Marie entdeckte im Gesicht ihres Bruders ein Zucken, ein Flackern in den Pupillen. Diese Regungen waren ein Silberstreifen am Horizont. Sie legte ihren Arm um ihn und ihr Kopf lehnte sich an dessen Schulter.
    „Caspar, du musst zu dir kommen. Falls du nicht wieder normal wirst, war's das“, wisperte sie in sein Ohr, drehte sich um und verließ ihn.
    ***
    „Das ging aber schnell“, sagte Marie.
    „Ja.“
    „Wie war es?“
    „Gut“, antwortete er.
    „Caspar! Sprich mit mir!“
    „Was soll ich sagen? Sie ist tot.“
    „Wenigstens das“, sagte sie erleichtert. „Sie war schön.“
    „Sie war wunderschön … ihre Haut, die grünen Augen, Sommersprossen … ich liebe Sommersprossen.“
    „Sie war das pure Leben.“
    „Sie kam nicht aus dem Osten“, meinte er.
    „Nein. Ich dachte, dir wäre nach Abwechslung.“
    „Es ist gegen die Regel.“
    „Mehr oder weniger.“
    „Danke, Marie.“
    „Bitte. Also, was hast du gemacht?“
    „Ich habe ihren Knebel abgenommen, sie schrie natürlich. Ich schaute sie an und sagte, sie solle aufhören. Sie tat es … ich dachte, sie tun das nie! Muss man sie normalerweise nicht schlagen? Wir sprachen miteinander. Sie ist frisch verliebt, hat Pläne, mag Pferde … irgendwann nahm ich eine Plastiktüte … durchsichtig … zog sie ihr über den Kopf und sah ihr zu, wie sie von mir ging.“
    „Dir geht's besser, nicht wahr?“
    „Ja, mir geht's besser.“
    „Lass uns zusammen ins Krematorium fahren. Es ist ein schöner Tag und du musst wieder unter die Leute.“
    „Werden sie uns in Rente schicken?“
    „Mich bestimmt, dich, keine Ahnung.“
    „Du wolltest wissen, was in Vegas passiert
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