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Totes Meer

Titel: Totes Meer
Autoren: B Keene
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Schwuler.
    Und dann noch Hamelns Rache...
    Das größte Vorurteil überhaupt betraf meinen festen Job. Die Leute erwarteten entweder, dass ich Drogen verkaufte, von der Wohlfahrt lebte oder ein tuntiger Friseur sei. Ich weiß nicht, warum. Nichts an mir ist besonders gangsterhaft oder feminin. Vielleicht hatten sie zu oft New Jack City oder Will & Grace gesehen. Ich hatte einen guten Job am Fließband im Fordwerk in White Marsh, und an dem hielt ich fest. Das Problem war nur, dass er nicht an mir festhielt. So kam es, dass ich mit einer Pistole im Hosenbund zu der Ford-Filiale ging. Und bis Hamelns Rache kam, lebte ich mit der Schuld dessen, was ich dort getan hatte.
    Genau daran dachte ich, als Alan und ich den Supermarkt plünderten. Wir tauchten mitten in der Nacht auf dem Parkplatz auf und trafen ein Dutzend anderer, gut bewaffneter Leute, die denselben Plan
hatten. Also schnappten wir uns zwei Einkaufswagen und machten mit, bevor die Regale völlig ausgeräumt waren. Die Cops waren gerade nicht in der Gegend, ebenso wenig wie die Zombies. Die anderen Plünderer ignorierten uns, zu sehr damit beschäftigt, für sich selbst zu sorgen. Vier von ihnen standen in einer Gruppe zusammen. Die anderen schienen Einzelgänger zu sein.
    Die Fleischwarenabteilung und die Gänge mit dem Obst und Gemüse mieften wie ein offener Gully. Der Gestank von fauligem Grünzeug und verdorbenem Fleisch hing in der Luft. Ich hörte ein lautes Summen und entdeckte, dass die Fleischtheke von fetten, schwerfälligen Fliegen bedeckt war. Tausende winziger weißer Würmer bohrten sich durch ranzige Steaks, Hamburger und Schweinekoteletts. Ich weiß noch, dass ich mich bei ihrem Anblick gefragt habe, ob Hamelns Rache sich auch auf Insekten übertragen konnte – Moskitos, Zecken und andere Blutsauger. Hoffentlich nicht. Wenn es sich auf die oder auf die Vögel ausbreiten würde, wären wir wirklich am Arsch.
    Andererseits waren wir sowieso schon ziemlich am Arsch.
    Obst und Gemüse waren mit Flaum und Schleim und noch mehr Fliegen überzogen. Wir hielten den Atem an, als wir durch diesen Gang gingen, und noch einmal, als wir an den Milchprodukten vorbeikamen. An den aufgeplatzten Milchtüten hing dicker, grünblauer Schimmel, der Gestank war überwältigend.
Auf dem Boden saß ein fetter Mann in einem dreckigen T-Shirt mit dem Rücken an einer Kühltheke und aß mit einem Löffel die verdorbene Milch. Er löffelte sie wie Hüttenkäse aus dem Karton.
    »Hey«, sagte Alan, »davon werden Sie krank, Mann. Das Zeug wird Sie umbringen.«
    Der Mann lächelte traurig. »Das hoffe ich. Ich bin zu feige, um mich zu erschießen oder von einem dieser Dinger beißen zu lassen.«
    »Selbstmord?« Ich runzelte die Stirn. »Warum überhaupt sterben?«
    Der Mann schob sich einen weiteren Löffel Schleim in den Mund. Er tropfte sein Kinn herab, als er antwortete: »Versteht ihr nicht? Wir haben zwei Optionen. Wir können uns ihnen anschließen, oder wir können ihnen als Nahrung dienen. So oder so, wir sind tot.«
    Eine Träne rollte über seine Wange. Ohne etwas zu erwidern, gingen wir weiter.
    »Er hat aufgegeben«, meinte Alan, als wir außer Hörweite waren.
    »Scheiß drauf«, erwiderte ich. »Ich werde kämpfen.«
    »Fragst du dich manchmal, warum?«
    »Warum was?«
    »Warum wir darum kämpfen, zu überleben? Warum wir in deinem Haus hocken und dabei fast verrückt werden? Ich meine, was ist die Alternative? Der ganze Mist wird nicht besser werden. Nur schlimmer. Warum sich also abmühen?«
    Ich hatte darauf keine Antwort.

    Alan und ich füllten unsere Wagen mit Mineralwasser, Obst, Gemüse und Fleisch in Dosen, Trockenzeug wie Müsli und Haferflocken, Batterien, Aspirin, Wasserstoffperoxyd, antibakterieller Salbe, Verbandszeug, Vitamintabletten, Feuerzeugen, Streichhölzern und anderen Sachen, die wir brauchten. Er griff nach ein paar Propangaszylindern für meinen Grill, doch ich ließ sie ihn zurücklegen. Selbst wenn wir frisches Fleisch oder Gemüse zum Grillen gehabt hätten, würden die Kochgerüche Raubtiere anlocken – lebende und andere.
    Als er nach einer Schachtel mit Müsliriegeln griff, landete eine Fliege auf Alans Unterarm. Er stieß einen angewiderten leisen Schrei aus und schlug nach ihr. Als er die Hand wegzog, war das zerquetschte Insekt über seinen halben Arm verschmiert. Er schüttelte es ab und wischte sich den Arm am Hemd ab. Ich fragte mich, ob er sich wegen der Viecher dieselbe Frage gestellt hatte wie ich.
    »Fertig,
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