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Totes Meer

Titel: Totes Meer
Autoren: B Keene
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könne zur Normalität zurückkehren. Bis dahin würde als vorsorgliche Maßnahme das Kriegsrecht in Kraft bleiben.
    Nur, dass niemand die Schüsse zählte. Am Drücker war immer der mit der dicksten Knarre, und das änderte sich von einem Moment auf den anderen. Den Leuten ging es nicht darum, die Seuche zu heilen oder ihre Ausbreitung zu verhindern. Es ging ihnen nur darum, nicht von einem Zombie gefressen zu werden. Andauernd hatten sie sich Gedanken um ihre Karrieren gemacht, um ihre Häuser, ihre Lieblingsfernsehshows und darüber, was ihr favorisiertes Hollywoodstarlet angestellt hatte. Jetzt machten sie sich nur noch Gedanken ums Überleben. Und das Schlimmste war, dass die Leute, wenn man sie gefragt hätte, wahrscheinlich nicht einmal hätten sagen können, warum sie überhaupt so verzweifelt darum kämpften. Spielte es noch eine Rolle? Welchen Sinn hatte es? Es gab inzwischen mehr Zombies als Lebende.
Warum nicht einfach aufgeben oder sich eine Kugel verpassen? Wie ich schon sagte, der Überlebensinstinkt ist ein Arschloch. Man tut, was man tun muss, selbst wenn man nicht weiß, warum.
    Einige Leute hatten natürlich höhere Ziele. Wenn auf den Straßen das Blut fließt, gibt es Geld zu verdienen. Im Ghetto ist das ewiggültiges Gesetz, und der Rest der Welt lernte es schnell. Aktien, Anleihen und der ganze Mist – wertlos. Hartes, kaltes Bargeld war die Devise, und Wucherpreise wurden alltäglich. Zwanzig Dollar für einen Liter Benzin oder eine Flasche Wasser. Und als das Bargeld nicht einmal mehr das Papier wert war, auf dem es gedruckt war, übernahm der Tauschhandel. Deine Frau – oder deine Tochter – im Austausch gegen das, was du zum Überleben brauchtest.
    Der Wahnsinn ging weiter. Es wurde gesetzlich festgelegt, dass Tote verbrannt werden mussten, aber es gab nicht genug Brandplätze oder Krematorien. Laut den letzten Nachrichten, die ich sah, hatte in Pennsylvania ein Offizier der Nationalgarde den Tod einiger Zivilisten durch den Flammenwerfer angeordnet. Sie wurden der Plünderei bezichtigt. In Miami nahmen Zombies den Flughafen ein. Ein bekannter Fernsehprediger beging Selbstmord, da er glaubte, dass die biblische Entrückung der Auserwählten stattgefunden und er sie verpasst habe. In einem Nuklearreaktor in China kam es zur Kernschmelze. Chicago und Phoenix standen in Flammen. Das Militär zog sich schließlich aus New York City zurück, nachdem
es die Kontrolle verloren und seine Niederlage eingestanden hatte.
    Jeden Tag starben mehr Menschen. Dann kehrten sie zurück. Und jeden Tag wurden wir weniger. Es war ein grausamer, grausamer Sommer.
    Ich blieb zu Hause. Hatte keine Familie. Meine Mama war vor Jahren gestorben. Brustkrebs. Unsere Krankenversicherung war das Letzte. Aber es gab sowieso nicht viel, was sie tun konnten. Während einer Routineuntersuchung wurde ein Knoten entdeckt. Drei Monate später war sie tot. Meinen alten Herrn habe ich nie gekannt. Habe immer nur gehört, dass er nichts taugte. Mehr wusste ich nicht von ihm. »Mama, erzähl mir was über meinen Dad.«
    »Er taugte nichts. « Ich hatte einen Bruder, Marcus, der in Kalifornien lebte. Hatte ihn seit Jahren nicht gesehen, und als die Telefonverbindungen zusammenbrachen, konnte ich ihn nicht mehr erreichen. Ich hatte schon lange keine ernsthafte Beziehung mehr gehabt – nicht mehr, seit mein letzter Partner, Louis, nach New Orleans gezogen war. Es gab niemanden, um den ich mir Sorgen machen musste. Also versteckte ich mich. In meinem Heim war ich sicher, und es gab keinen Grund, es zu verlassen.
    Das größte Problem, mit dem ich mich auseinandersetzen musste, war, die Zeit totzuschlagen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht im Haus eingesperrt, ohne Fernsehen oder X-Box oder ähnlichen Scheiß. Ich musste etwas finden, womit ich mich beschäftigen konnte, sonst würde ich depressiv werden
und anfangen, darüber nachzudenken, ob ich nicht rausgehen, den nächsten Zombie suchen und ihn einen Happen nehmen lassen sollte. Die Einsamkeit war das Schlimmste, und deswegen war ich wirklich froh, als ich herausfand, dass Alan noch lebte und er sich mir anschloss (auch wenn er ein hoffnungsloser Hetero war). Alan war mein Nachbar. Netter Kerl. Er hatte auch in der Fabrik gearbeitet und war zur selben Zeit gefeuert worden wie ich. Alan ging zu einer Zeitarbeitsfirma. Machte Gelegenheitsjobs wie Verkehrsregelung und das Beladen von Lkws. An manchen Tagen hatten sie Arbeit für ihn. An anderen nicht. Er kam gerade so über die
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