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Totentrickser: Roman (German Edition)

Totentrickser: Roman (German Edition)

Titel: Totentrickser: Roman (German Edition)
Autoren: Jan Oldenburg
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zurückkehrt und sich von ihren Untertanen feiern lässt.
    »Gut, kommen wir gleich zum Geschäftlichen.«
    Tintenrohr öffnete die lederne Verschnürung einer dicken Mappe, die auf seinem Schreibtisch lag und setzte sich eine Brille auf.
    »In Anbetracht der Tatsache, dass die anderen Erbberechtigten ermor… ich meine … aufgrund …«
    »… einer Reihe von tragischen Unfällen …«, half Selphyne.
    »… aufgrund einer Reihe von tragischen Unfällen – vielen Dank – heute nicht hier sein können, beginne ich sofort mit der Testamentseröffnung.«
    Der Notar schlug die Mappe auf und räusperte sich.
    »Letzter Wille von Plutonio Trauersaat«, las Tintenrohr. »Gegeben aus freien Stücken, bei vollem Bewusstsein und ärztlich attestierter geistiger Zurechnungsfähigkeit:
    Spannt eure Lauscher auf, ihr raffgierigen, heimtückischen Mistkerle. Ich weiß, dass ihr seit Jahren nur darauf wartet, dass ich endlich den Löffel abgebe, damit ihr über mein hart erarbeitetes Vermögen herfallen könnt wie ein Rudel Hyänen über ein fettes, verendetes Nilpferd. Jetzt ist es also endlich so weit. Der Tag, den ihr euch alle rot im Kalender angestrichen habt, ist gekommen, der alte Knacker (ich) liegt unter der Erde und sieht sich die Radieschen von unten an. Sein Erbe steht zur Plünderung bereit.
    An der letzten euch bekannten Fassung des Testaments hat sich ebenso wenig geändert wie an meinem von mir prognoszierten Todesdatum. Zur Erinnerung noch mal die genauen Modalitäten:
    Die erste und wichtigste Regel lautet: Alles oder nichts. Ich will nicht, dass mein Besitz in die Hände eines verweichlichten, willensschwachen Waschlappens fällt, der nicht in der Lage ist, ihn anständig zusammenzuhalten. Deshalb habe ich beschlossen, die Erbfolge über ein kleines Ausleseverfahren zu regeln. Das heißt im Klartext: Mein Besitz wird nur ungeteilt vererbt, und zwar an denjenigen von euch, der bis zum Verstreichen einer bestimmten Frist als einziger Erbberechtigter am Leben ist. Diese Frist beträgt ein Jahr, und zwar von dem Zeitpunkt meines Todes an gerechnet. Sollten nach Ablauf dieses Jahres mehr (oder auch weniger) als einer von euch noch unter den Lebenden wandeln, wird mein gesamtes materielles und immaterielles Vermögen an die Wohltätige Stiftung zur Bekämpfung von Armut in Unterentwickelten Regionen wie z.B. Workubosch gestiftet – ein blanker Hohn, wie jeder sofort erkennen dürfte, der meine Einstellung gegenüber wohltätigen Stiftungen kennt (ich verabscheue sie fast noch mehr als meine eigene Familie, sofern das möglich ist).
    Auf diese Weise stelle ich sicher, dass wirklich nur der gemeinste, skrupelloseste, abgefeimteste – kurz gesagt, der geschäftstüchtigste – von euch Aasgeiern seine gierigen Klauen auf meinen Besitz legen darf.
    Außerdem amüsiert mich, offen gestanden, ganz einfach die Vorstellung, wie ihr euch gegenseitig massakriert.
    In diesem Sinne: Möge der Böseste gewinnen!
    (Zusatz: Meine Großnichte Nenia soll von diesem Wettkampf ausgenommen sein. Ich habe nie viel für Kinder übrig gehabt und sie eher als Belästigung denn als Bereicherung angesehen. Sie sind laut, aufdringlich und vor allem unprofitabel. Dennoch bin ich kein Unelf. Daher wird sie in jedem Fall ein Achtel meines Vermögens erhalten, das bis zu ihrer Volljährigkeit von dem oder der überlebenden Erbin verwaltet werden soll. Wenn sie die Volljährigkeit erreicht, darf sie selbstständig über das Erbe verfügen oder – was ich durchaus begrüßen würde – sich dazu entschließen, ihren bisherigen Vormund abzuservieren und sich den ganzen Kuchen einverleiben.)
    Ich beschließe mein Testament mit einer Reihe von Beleidigungen, mit denen ich zum Ausdruck bringen möchte, was ich von jedem Einzelnen von euch halte.«
    Der Notar unterbrach die Lektüre.
    »Ich denke, auf diesen Teil können wir verzichten, oder?«
    »Ja«, nickte Selphyne. »Wir wissen mittlerweile zur Genüge, wie man in dieser Familie zueinander steht. Außerdem ist abgesehen von Nenia auch niemand mehr übrig, der beleidigt werden könnte.«
    »Genau«, sagte Brom ungeduldig, »kommen wir endlich zur Hauptsache. Wie viel Zaster hat die Kleine denn jetzt genau geerbt?«
    Der Notar schloss das Dokument und nahm ein anderes, recht gewichtiges Aktenbündel aus der Mappe.
    »Gut, wenden wir uns der Erbmasse zu.« Er räusperte sich wieder. »Hmhm.«
    Brom beugte sich erwartungsvoll vor.
    »Zur Erbmasse gehören:
    Zunächst das Anwesen auf
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