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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte
Autoren: M. R. Hall
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Spurensicherung aus der Jackentasche. In dem Beutel befand sich ein zusammengefalteter Zettel, auf dem mit Tinte, die von Regen oder Tränen verwischt worden war, drei elegant geschriebene Worte standen: My Dark Rosaleen .
    »Darf ich?«
    »Natürlich«, sagte Rhys unbehaglich. Er öffnete das Tütchen und reichte ihr den Zettel.
    Sie drehte sich von ihm weg und tat, als benötigte sie das wenige verbliebene Tageslicht, um den Text zu entziffern. Die Verse waren in Schönschrift geschrieben.

    Roll forth, my song, like the rushing river,
    That sweeps along to the mighty sea;
    God will inspire me while I deliver
    My soul of thee!

    Tell thou the world, when my bones lie whitening
    Amid the last homes of youth and eld,
    That once there was one whose veins ran lightning
    No eye beheld.

    Him grant a grave to, ye pitying noble,
    Deep in your bosoms: there let him dwell!
    He, too, had tears for all souls in trouble,
    Here and in hell. *
    »Sagt Ihnen das etwas, Mrs. Cooper?«, fragte Rhys. »Mrs. Cooper …?«
    Den ganzen Samstag über fütterte Alison Jenny mit immer weiteren Informationen, die sie ihren Exkollegen von der Kripo abluchste. Sie erfuhr, dass Fotos von Marek Stichs vermisster Freundin mit denen von der Jane Doe übereinzustimmen schienen. Stich selbst war wegen Mordverdacht festgenommen worden. McAvoy wurde als Komplize bei der ungesetzlichen Entführung, Entsorgung oder Vernichtungder Leiche gesucht. In den letzten achtundvierzig Stunden hatten seine Kreditkarte und sein Konto keine Transaktionen aufgewiesen, und sein Handy war zum letzten Mal für seinen Anruf bei Pironi benutzt worden. Unbestätigten Zeugenaussagen zufolge war am späten Freitagmorgen in der Nähe der Severn Bridge ein gut gekleideter Mann mittleren Alters auf einem Gehweg gesehen worden. Allerdings war niemand Zeuge eines Selbstmords geworden. Bei der Kripo wettete man darauf, dass McAvoy in ein paar Wochen wieder aus der Versenkung auftauchen und einen Deal vorschlagen würde: Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung für eine Aussage gegen Marek Stich.
    Jenny dagegen spürte, dass er für immer gegangen war. Nicht aus Selbstmitleid oder Verzweiflung, sondern weil er bereit war, sein Urteil anzunehmen. Was er in ihr berührt und was seine kurze Anwesenheit in ihrem Leben bedeutet hatte, das konnte sie noch nicht einschätzen, aber sie hatte keinerlei Zweifel, dass es ihr schon bald gelingen würde.

Epilog
    J enny überquerte den Vorplatz von Steves Bauernhof. Sie fand ihn im Gemüsegarten hinter der Scheune. Ein ganzer Schwarm hungriger Vögel stürzte sich auf die Würmer und Insekten, die er zusammen mit der dunklen Erde aufwühlte. Er ging zu sehr in der körperlichen Arbeit auf, als dass er bemerkt hätte, dass sie am Zaun lehnte und ihn beobachtete. Erst als er eine ganze Reihe umgegraben hatte, ließ sein siebter Sinn ihn sich umdrehen.
    »Jenny. Wie lange stehst du schon da?« Er wischte sich mit dem Ärmel seines Arbeitshemds über die Stirn.
    »Eine ganze Weile. Du hast ausgesehen, als wärst du meilenweit entfernt.«
    »Das war ich auch.« Er stach den Spaten in den Boden und ging zu ihr hinüber.
    »Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe«, sagte sie. »Du hast vor ein paar Tagen eine Nachricht hinterlassen. Die Arbeit hat mich auf Trab gehalten.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    Er lehnte sich an den Zaun. Weit genug von ihr entfernt, wie Jenny auffiel, dass sie sich nicht berühren konnten. Er blinzelte im gleißenden Winterlicht. Er war dünner geworden. Seine Haut spannte sich über die Wangenknochen, und sein Blick war irgendwie leer. Er wirkte nachdenklich.
    »Ross ist noch bei seinem Vater?«, fragte er.
    »Ja … Keine Ahnung, vielleicht ist er im Moment in derStadt besser aufgehoben. Ich bin keine gute Gesellschaft für ihn.«
    »Du hast gesagt, dass David ihn mitgenommen hat.«
    »Es war mein Fehler … Ross hat mich kürzlich abends in einem üblen Zustand gefunden. Er musste mich ins Bett bringen.«
    Steve zog an einem Holzspan des verwitterten Zauns. »Möchtest du darüber reden?«
    »Du musst es leid sein, dass ich immer als therapeutischer Notfall bei dir aufkreuze. Es wird Zeit, dass ich die Sache selbst in den Griff bekomme.«
    Er sah sie an. »Darf ich etwas sagen?«
    Sie nickte.
    »Du wirkst angespannt, wenn Ross bei dir ist. Als würde dir die Verantwortung Angst einjagen.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Das tut sie auch. Er ist mein Sohn.«
    »Wovor hast du Angst?«
    Jenny schüttelte
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