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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt
Autoren: Brian Hodge
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Konföderierte fühlen konntet. Ist dir klar, wie wenig das wert ist? Hast du überhaupt eine Ahnung?«
    Nathan war empört. »Das war A.J.s Obsession, aber bestimmt nicht meine.«
    »Zumindest hat er etwas daraus gemacht.«
    Nathan knurrte einige Bemerkungen, die Aal nicht verstand. Eine so lange Unterhaltung hatten sie seit vier Tagen nicht mehr geführt, aber jetzt war alles von Bedeutung gesagt – und sie hatten überdies eine Unmenge an Trivialitäten ausgetauscht. Selbst Nathans Drohungen blieben inzwischen aus; Schweigen war eben doch Gold.
    Drei Wochen und einen Tag in Ketten und eine ebenso karge Diät wie Aals hatten dazu geführt, dass Nathan Forrest zu einem sehr schweigsamen Mann geworden war. Seit er nach dem Hieb mit dem Todschläger aufgewacht war und festgestellt hatte, dass er in Ketten lag, hatte Nathan gedroht und geschimpft, geweint und getrauert, Pläne geschmiedet und Aal nicht geringe Reichtümer in Aussicht gestellt, wenn er ihn nur freilassen würde. Am Ende hatte er sich als genau das erwiesen, was Aal vermutet hatte: als ein kooperativer, wenn auch verdrossener Gefangener, der sein Schicksal hinnahm und nur versuchte, jeden sonnenlosen Tag zu überstehen, ohne zusammenzubrechen und unablässig zu schreien …
    Und mit der Peitsche bestraft zu werden.
    Anfangs hatte er Erklärungen gefordert, die aber sinnlos gewesen wären. Schließlich hatte Nathan erst aufgehört zu fragen und später zu betteln.
    Wie sollte er ihm auch Michael Daudets Angebot erklären, das er Aal vorgetragen hatte, als man ihn nach dem Arztbesuch zu ihm fuhr? Das darauf folgende Treffen im verrauchten Hinterzimmer einer Taverne in Algiers, als der bärtige Cajun hinter einer braunen Zigarette gesessen, listig gelächelt und sich als scharfsinniger Mann erwiesen hatte? Er erkannte einen Söldner, wenn er einen vor sich hatte. Und für einen Söldner ist die Arbeit das Wichtigste, sei es nun körperliche oder geistige Arbeit, der Auftraggeber hingegen zweitrangig.
    In diesem Augenblick wusste Aal, warum er noch am Leben war. Waffen und Muskeln waren preiswerte Waren, die an jeder Ecke zu kriegen waren, wohingegen seine Talente gesucht wurden. Daudet war ein Mann, der ihrem mächtigen Einfluss einfach nicht widerstehen konnte – oder ihrem Potenzial.
    Er hatte ihm ein direktes Angebot unterbreitet: fünfzigtausend Dollar, wenn er Nathan Forrest ausliefern würde. Lebendig oder tot; was immer von ihm übrig war, würde auf dieselbe Weise verschwinden. Wenn sie dieses Geschäft erledigt hatten – das auch ein Zeichen des guten Willens war –, dann konnten sie über die Zukunft reden.
    »Ich werde noch etwas Besseres für Sie tun«, hatte Aal gesagt. »Zwei für einen. Aber es wird einige Zeit dauern.«
    Faszinierend.
    Und er hatte den Ort lebendig wieder verlassen.
    Das könnte durchaus eine vergiftete Mohrrübe sein, die da vor seiner Nase baumelte, eine einfache Art, sich eines Rivalen zu entledigen, aber Aal hatte den Eindruck, dass das Angebot ernst gemeint war. Daudet schien zu verstehen, dass ein Mann mit Aals Talent selten dazu neigte, seinen Boss zu stürzen, um so an mehr Macht zu gelangen.
    Und wie lange würde es dauern, bis Daudet an seiner Verlässlichkeit zweifelte, falls er das jetzt nicht schon tat: Einer, der seinen Boss verkauft hatte, konnte dies auch bei seinem nächsten versuchen. Aal hatte diese Art von Paranoia schon vor Jahren in Washington miterlebt, und sie war auch ein wichtiger Faktor bei seiner Entscheidung gewesen, dieses Leben hinter sich zu lassen.
    Er würde sein Wort halten, aber die fünfzigtausend waren ihm nicht so wichtig. Es war ihm sowieso nie ums Geld gegangen.
    »Sie waren noch nie in Afrika, nicht wahr?«, wollte Aal wissen.
    Nathan schnaubte. »Was sollte ich denn in Afrika anfangen?«
    Aal begann, mit Kreide ein neues Vèvè auf den Boden zu malen. Das Symbol des Marassa war so kompliziert und verwoben, dass er dazu in ein Buch schauen musste. Seine Schulter war gut verheilt, sodass er bei dieser Tätigkeit nur geringe Schmerzen verspürte.
    »Es ist der Geburtsort der Menschheit. Dort hat alles begonnen. Man fragt sich, ob wir alles, was wir wissen – zumindest alles, was wichtig ist –, dort gelernt haben. Und ob wir den Dingen nicht später einfach nur neue Namen gaben.« Er hielt einen Moment inne, um jede der drei großen Achsen des Gitters mit der Abbildung eines rechteckigen Blatts zu berühren. »Ich werde es eines Tages herausfinden. Oder bei der Suche danach
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