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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Andreas Föhr
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Und er ist ja auch noch da.« Kreuthners Vorgesetzter deutete auf einen etwa sechzigjährigen hochgewachsenen, hageren Mann mit Parka und Jeans, der auf einem Stuhl an der Wand saß. Er trug eine aus der Mode geratene Brille mit dicken Gläsern, einer seiner Knöchel war bandagiert, eine Krücke lehnte neben ihm an der Wand. »Ist in Gmund in den Kiosk eingebrochen.«
    »Wieder Zigaretten und Schnaps?«
    »Und zwanzig Packungen Erdnüsse. Auf der Flucht hat er sich den Knöchel verstaucht.«
    »He Dammerl, du Lusche!«, rief Kreuthner dem Mann zu. »Hast es immer noch net raus, wie’s geht?«
    »Du-du-du«, der Mann stotterte vor Erregung. »Du kannst mir mal an Sch-sch-schuah aufblasen!«
    Thomas »Dammerl« Nissl war ein der Polizei leidlich bekannter Mann. Er hatte nur unregelmäßig Arbeit und keinen festen Wohnsitz. Die wärmere Zeit des Jahres verbrachte er draußen, oder er stieg in Bootshäuser ein. Im Herbst und Winter residierte er in aufgebrochenen Almhütten oder, wenn er es hineinschaffte, auch gern in einem der großen Landhäuser um den Tegernsee, von denen einige monatelang leer standen. Man musste Nissl zugutehalten, dass er seine Häuser – wenn man von den aufgebrochenen Schlössern absah – stets in tadellosem Zustand hinterließ und gelegentlich sogar kleinere Reparaturen ausführte. Trotzdem war es illegal und für die Polizei nicht immer leicht, darüber hinwegzusehen. Aber sie tat es. Anders war es mit den Einbruchdiebstählen. Der Schaden war jedes Mal gering. Aber Nissl hörte nicht auf damit und war bereits fünf Mal zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Jetzt würde er ins Gefängnis gehen. Das jedenfalls hatte ihm die Richterin bei der letzten Urteilsverkündung angedroht. Und deswegen hatten sie bei der Polizei die Anweisung, Nissl beim nächsten Diebstahl festzusetzen. Der Mann hatte auch keine Familie. Es bestand daher nach den allgemeinen Kriterien Fluchtgefahr. Hier im Tal wusste jeder, dass Nissl nicht fliehen würde. Wohin denn? Aber Anweisung war Anweisung.
    »Der Nissl bleibt über Nacht in der Arrestzelle«, sagte der Dienststellenleiter.
    »Die Zelle kann man doch abschließen. Wozu muss denn einer hierbleiben?«
    »Weil der Bursche gegrillt wird, wenn sonst keiner da ist und’s Haus abbrennt. Herrschaftszeiten, du kennst die Vorschriften. Was hast denn so Wichtiges vor?«
    In Kreuthners Gesicht stand die blanke Verzweiflung. »Heut ist das Austrinken vom Hirschberghaus«, sagte er mit belegter Stimme und sah seinen Chef an, als müsste der nach dieser Offenbarung erschrocken Abbitte tun für das absurde Ansinnen, Kreuthner hierzubehalten. Der Mann aber schien die Tragweite von Kreuthners Worten überhaupt nicht zu erfassen.
    »Was ist das denn?«, fragte er.
    »Die machen diesen Winter ausnahmsweise zu. Zum Renovieren. Und damit sie nicht die ganzen Getränke nach unten schaffen müssen, ist heute großes Austrinken. Da zahlt jeder zehn Mark …«
    »… und besäuft sich, bis er umfällt? Sei froh, dass dir das erspart bleibt.« Er klopfte Kreuthner väterlich auf die Schulter. »Nicht dass es wieder endet wie bei deinem letzten Rausch.«
    »Ich bitte dich!«, winselte Kreuthner. »So eine Gelegenheit kommt vielleicht in zwanzig Jahren wieder. Das kannst mir net antun! Das geht net!«
    Doch. Das ging.

    Kreuthner saß misslaunig auf einem Bürosessel und sah Nissl dabei zu, wie der die siebte Tasse Kaffee trank. Kaffee bekam er nicht so oft. Die Tür zur Arrestzelle stand offen. Nissl hatte darum gebeten, und mit dem gestauchten Knöchel konnte er sowieso nicht weglaufen. Kreuthner dachte an Sennleitner, den er noch aus der Schule kannte. Und dass auch der das Pech hatte, nicht beim Austrinken dabei zu sein, weil er ausgerechnet heute krank war. Andererseits – wenn er nicht erkrankt wäre, hätte er Dienst schieben müssen. Kreuthner stutzte. Richtig – dann hätte er Dienst gehabt … Ein finsterer Gedanke bohrte sich in Kreuthners Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Oder doch? Zu wie viel Schlechtigkeit war ein Mensch fähig? Kreuthner wollte es wissen und griff zum Telefon.

3
    E s ging bereits hoch her auf dem Hirschberghaus, obwohl es erst sechs Uhr war und man für das Austrinken der Getränkevorräte die ganze Nacht angesetzt hatte. Der junge Kriminalkommissar Wallner, erst seit wenigen Monaten bei der Kripo Miesbach, saß mit einer jungen Frau namens Claudia Lukas an einem Tisch mit den Burschen von der Bergwacht. Und zwar deshalb, weil Günther Simoni
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