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Totenruhe

Titel: Totenruhe
Autoren: Jan Burke
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Leute auf der Party - die haben doch gesehen, wie ich mich mit ihm angelegt habe.« Auf einmal musste Bo an den Butler denken, der sie an der Tür hatte aufhalten wollen. Jetzt war er erleichtert, dass er ihm einen falschen Namen genannt hatte.
    »Na gut«, sagte Gus nach einer Weile. »Wenn du nicht den Mumm dafür hast, übernehme ich es eben selbst. Du musst mir nur genau zeigen, wo du ihn abgelegt hast. Mit etwas Glück ist er noch dort. Aber du kommst mit - die zwei anderen fahren weiter zur Hütte. Dann holen wir unser Geld ab, und alle sind quitt.«

    Bo behagte das nicht. Selbst nachdem Gus das Büro verlassen hatte, stand Bo noch da und versuchte krampfhaft, dahinter zu kommen, was schief gehen könnte. Wenn Gus den Kerl umlegte, dürfte er selbst aus dem Schneider sein. Bo war kein Mann von großem Vorstellungsvermögen, und so veranlasste ihn sein vages Unbehagen nicht zu irgendwelchen konkreten Befürchtungen.
    Er hörte, wie Gus im Nebenzimmer Betty und Lew Anweisungen gab. Lew erklärte sich wie immer mit Gus’ Plänen einverstanden und sagte: »Dann richte Bo aus, wir sehen uns später.« Betty - das war vielleicht ein Weibsbild! -, die ihre Rolle auf der Party so gekonnt gespielt hatte, sagte kein Wort. Falls sie irgendwelche Fragen hatte, so behielt sie sie für sich. Bo beschloss, ebenfalls auf Fragen zu verzichten. Vor allem, weil er sowieso nicht wusste, was er hätte fragen sollen.
    Auf dem Weg aus dem Büro sah er den Anhänger. Er hob ihn auf und steckte ihn ein.
    Vielleicht war er nicht so schlau wie Gus, aber er war nicht so dumm, eine Trophäe von einem Toten auf einem Tisch liegen zu lassen.
     
    Ezra Mayhope hielt seinen Lieferwagen am Rand des Feldwegs an, schraubte die Thermosflasche auf, goss Kaffee in die Kappe und trank einen großen Schluck.
    Er brauchte den Kaffee nicht, um wach zu bleiben. Es war noch über eine Stunde bis Sonnenaufgang, aber Ezras Tag hatte schon vor zwei Stunden begonnen, als er angefangen hatte, den Lieferwagen mit den Eiern zu beladen, die er in die Innenstadt von Las Piernas bringen wollte, zu den großen Hotels, die es dort gab.
    Der Kaffee verhinderte das Frösteln in der kalten, nebligen Nacht.
    Bis vor wenigen Meilen waren seine Gedanken um dasselbe Thema gekreist wie die anderer Farmer und Milchbauern aus
der Gegend - nämlich die Ausbreitung der Wohngebiete auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen. Hier und da gab es bereits kleine Enklaven. Dort eine Wohnsiedlung und da eine weitere. Zwar noch an den Rändern der Städte, doch jeder wusste, wie es weitergehen würde. Wegen dieser neuen Anwohner würden die Steuern steigen, sie würden asphaltierte Straßen fordern, den Wasserpreis in die Höhe treiben und sich über Fliegen und den Geruch von Hühnerställen, Melkbetrieben, Rüben und weiß der Geier was beschweren.
    Es gab mal eine Zeit, dachte Ezra jetzt, da hätte kein Mensch einen Traktor angehupt. Da war nämlich der Traktor das einzige Fahrzeug auf der Straße. Und niemand hatte es so wahnsinnig eilig. Ezra hatte zwangsläufig langsam fahren müssen, als die Straße die Milchfarmen und Felder hinter sich ließ und sich am Rand der Sümpfe entlangzuschlängeln begann, wo der Nebel meistens derart dick drinhing, dass man kaum mehr als ein paar Meter in jede Richtung sehen konnte. Eine Fahrt, die er auch in jeder beliebigen anderen Nacht hätte machen können, Nebel hin oder her, ohne sich irgendwelche Sorgen zu machen, doch ein paar Meilen weiter hinten war so ein Idiot in höllischer Hast an ihm vorbeigerast und hatte fast die ganze Straße mit seinem noblen Cityschlitten eingenommen - einem großen alten Cadillac oder Lincoln vielleicht. War einfach vorbeigerast. Der Blödmann hätte Ezra beinahe mitsamt seinen Eiern in den weichen, salzigen Morast gedrängt, aber irgendwie hatten sie es dann doch geschafft, ohne einen Kratzer - und ohne dass einer von ihnen im Sumpf gelandet war - aneinander vorbeizukommen.
    In den zehn Jahren, die er nun regelmäßig diese Strecke fuhr, von seiner Hühnerfarm zur Kreuzung, war ihm kaum je ein Fahrzeug begegnet, das zu dieser nachtschlafenden Zeit in die andere Richtung unterwegs war. Es erschreckte ihn immer fast zu Tode, wenn es doch passierte, weil es fast immer jemand aus der Stadt war, der nicht wusste, wie man auf diesen schmalen
Straßen fahren musste. Ezra trank seinen Kaffee und redete sich ein, dass das das Einzige war, was ihn beunruhigte.
    Er sah sich um und erschauerte. Der Sumpf war immer
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