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Totenruhe

Titel: Totenruhe
Autoren: Jan Burke
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eingeschlossen. Der Kotzbrocken, wie Jack ihn insgeheim nannte. Aber Katy hatte rebelliert. Er wusste, dass sie ihren Fehler mittlerweile eingesehen hatte - korrigiert hatte sie ihn bislang allerdings noch nicht.
    Lillian hatte ihrerseits auch keine so glückliche Wahl getroffen, dachte Jack, während er zusah, wie sich die Familie zum Fotografieren aufstellte. Für Harold Linworth sprach wenig mehr als sein Reichtum. Vielleicht war das Lillian ja genug gewesen. Für Anfang vierzig sah sie immer noch phänomenal aus. Aber neben Katy - Jack musste schmunzeln. Katy wirkte heute Abend zwar ein bisschen gedämpft, aber sie besaß nach wie vor etwas Besonderes, ein inneres Feuer, das andere zu ihrer Wärme hinzog. Nicht einmal Lilys ganze Schönheit konnte da mithalten.

    Er sah zu, wie sich Eltern und Schwiegereltern neben Katy und Todd postierten und alle sechs steif lächelten, während der Fotograf immer wieder die komplizierte Scharfstellung vornahm, den Auslöser drückte, das benutzte Blitzbirnchen wegwarf, ein neues hineinsteckte, scharf stellte, auslöste und so weiter.
    Warum war Warren eigentlich nicht da? Die Brüder Ducane standen sich nahe. Jack sah zu Thelma hinüber und glaubte, die Antwort gefunden zu haben. Er war sich ziemlich sicher, dass es genügte, wenn Thelma Warrens Anwesenheit auf der Party einforderte, um ihn zum Fernbleiben zu bewegen. Es gab einen Unterschied zwischen den beiden jungen Männern - Todd beugte sich jeder Forderung seiner Eltern in der Hoffnung, dass ein paar Krumen von ihrem Tisch für ihn abfielen. Warren begehrte auf. Wenn es das war, was ihn heute Abend von hier fern hielt, dann musste Jack ihn dafür bewundern.
    Was zum Teufel hatte er eigentlich selbst hier zu suchen?
    Aber Jack war noch nie imstande gewesen, Katy eine Bitte abzuschlagen. Es war ihr einundzwanzigster Geburtstag. Katy war nun erwachsen. Was für ein Unsinn. Sie war ja bereits Ehefrau und Mutter. Doch für Jack blieb sie nach wie vor ein Kind.
    Ihre elegante Erscheinung an diesem Abend hatte sein Empfinden in diesem Punkt nicht verändert. Sie trug ein dezentes Abendkleid, dazu lange Handschuhe und an Hals und Handgelenken die Familiendiamanten der Vanderveers. Ihr dunkles Haar war zu einer raffinierten Frisur hochgesteckt, die braunen Augen durch akkurat aufgetragenen Eyeliner betont.
    Die Gesamtwirkung wurde durch den Mops etwas getrübt. Corrigan hasste den verfluchten Köter, und dass Katy ihn heute Abend auf dem Arm hielt, ärgerte ihn. Max, ihren zwei Monate alten Sohn, hatte sie zu Hause gelassen, behütet von einer Fremden, einer bezahlten Kinderschwester, doch den Hund hielt sie in den Armen. Vielleicht war das die Art von Familienleben,
die den Ducanes vorschwebte, auf Distanz zu ihren Kindern, aber Jack sah mit großem Widerwillen, dass Katy von Todd in dieser Richtung beeinflusst wurde.
    Als Katy ihn begrüßte, hatte sie sich ein wenig vorgebeugt, während sich der Hund zwischen ihnen unbehaglich wand. Sie hatte Jack die Hand geschüttelt und gesagt: »Was für eine unerwartete Freude.« Ihr sarkastischer Tonfall hätte jeden Zuhörer vermuten lassen, Jack sei ein ungebetener Gast. Hätte sie nicht - ausschließlich für sein Ohr - »Später« hinzugefügt, wäre er auf der Stelle wieder gegangen.
    Irgendwann versuchte er tatsächlich, sich zu verdrücken - er hatte sogar schon Hut und Mantel in der Hand. Doch Katy war eilig zu ihm herübergekommen und hatte ihm die Sachen wieder abgenommen. »Sei nicht albern«, sagte sie, während sie den Hut Hastings, dem Butler, reichte und den Mantel so ordentlich glatt strich, wie es ihm eigentlich gar nicht entsprach.
    »Pass auf, du ruinierst dir das Kleid«, sagte er, wobei ihm auffiel, dass der Mantel dringend in die Reinigung gehörte.
    »Zum Teufel mit dem Kleid«, entgegnete sie und warf sich den Mantel um die Schultern. Mit schelmischem Blick strahlte sie ihn an. »Das nenne ich behaglich. Und er riecht nach Zigaretten, verschüttetem Schnaps und - was ist das?« Sie gab vor, am Kragen zu schnüffeln. »Ach ja, Tinte. Du musst dich geschnitten haben.«
    Er lachte.
    Sie schlüpfte wieder aus dem Mantel und reichte ihn Hastings. »Onkel Jack …«
    »Weiß deine Mutter, dass du mich immer noch so nennst?«
    »Hör auf mit meiner Mutter«, erwiderte sie ärgerlich.
    »Habt ihr schon wieder Streit? Wolltest du mich deswegen sprechen?«
    »Nein«, antwortete sie, »nein, natürlich nicht. Ach, Onkel Jack, bitte. Bitte bleib, bis wir uns unterhalten
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