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Totenpfad

Totenpfad

Titel: Totenpfad
Autoren: Elly Griffiths , Tanja Handels
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Es gefällt ihr, wie sie immer das tut, was sie will, und es gleichzeitig schafft, das Bild der perfekten Ehefrau aufrechtzuerhalten. Das, denkt Ruth, ist eine Kunst, die sie auch gern beherrschen würde, obwohl sie wahrhaftig nicht vorhat, jemals Ehefrau zu werden. Michelle ihrerseits juckt es sichtlich in den Fingern, Ruth einen völlig neuen Look zu verpassen.
    Peter ist zu Victoria zurückgekehrt. Ruth freut sich für ihn und ist vor allem erleichtert, weil die nächtlichen SMS doch von David stammten und nicht von Peter.
    «Wie läuft’s denn so?», fragt sie Nelson.
    «Ganz gut. Es gibt einen neuen Korruptionsskandal, wenn ich Glück habe, zieht das den Druck erst mal ein Weilchen von mir ab.»
    Lucy Downeys Befreiung war natürlich ein großes Medienereignis. Die Zeitungen schienen wochenlang von nichts anderem zu berichten, was mit ein Grund für Ruth war, nach Norwegen und Eltham zu flüchten. Nelson musste sich einiger Kritik stellen – schließlich wurde Lucy in einem Gebiet gefunden, das die Polizei bereits mehrfach abgesucht hatte. Doch andererseits bekam er auch viel Lob dafür, dass Lucy am Ende doch noch gefunden wurde. Ruth war nur allzu bereit, ihre Rolle in der Sache herunterzuspielen, und auch Cathbad hat seine Gründe dafür, sich eher im Hintergrund zu halten. Und Lucys Eltern weigerten sich standhaft, Nelson auch nur irgendwie zu kritisieren, und beteuerten immer wieder, dass Lucys Befreiung letztlich einzig seiner unermüdlichen Suche zu verdanken sei.
    «Wie geht es Lucy?», fragt Ruth, während sie am Meer entlangspazieren. Die Ebbe hat eingesetzt, das Wasser lässt einen Streifen aus Muscheln und nassglänzenden Steinen am Strand zurück. Die Möwen fliegen tief auf ihrer Suche nach den Schätzen, die das Meer freigibt.
    «Gut», sagt Nelson. «Ich habe gestern noch vorbeigeschaut, da saß sie auf der Schaukel im Garten. Offenbar konnte sie sich noch bestens an das Haus und den Garten erinnern. Sonst hat sie natürlich vieles vergessen. Als sie zum ersten Mal eine Katze gesehen hat, hat sie gleich losgebrüllt.»
    Ruth denkt an Flint, der sich wieder von seinem Schock erholt und die Zeit, während sie unterwegs war, bei Shona verbracht hat. Shona, vom schlechten Gewissen geplagt, hat ihn fast ausschließlich mit Räucherlachs gefüttert. Ichsollte mir eine zweite Katze zulegen, denkt Ruth, sonst wird Flint noch zu verwöhnt.
    «Hat Lucy etwas erzählt, wie es war?», fragt sie. «Die Gefangenschaft, meine ich.»
    «Der Psychologe hat sie ein paar Bilder malen lassen. So was Verstörendes hast du noch nicht gesehen. Enge, schwarze Räume, Hände, die nach ihr greifen, Eisengitter.»
    «Hat er   … hat David sie missbraucht?»
    «Missbraucht? Klar hat er sie missbraucht. Anzeichen für sexuellen Missbrauch gibt es allerdings nicht. Ich glaube, in der Hinsicht war er ziemlich zimperlich. Die Psychologen vermuten, dass er sie wohl spätestens bei Einsetzen der Menstruation getötet hätte.»
    «Wie hat er denn dieses unterirdische Verlies gebaut? Es hatte ja Betonwände und alles.»
    «Anscheinend war der Keller ein alter Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Er hat den Unterstand einfach drübergebaut.»
    «Mein Gott.» Ruth schweigt ein paar Minuten, während sie sich ausmalt, wie David all diese Vorbereitungen traf, um Lucy dort gefangen zu halten. Wie viele Jahre hatte er das wohl schon geplant?
    «Hat irgendwer eine Ahnung, warum er das getan hat?»
    «Die Seelenklempner haben natürlich jede Menge Theorien, aber das ist alles nur Kaffeesatzleserei. Vielleicht wollte er den Vögeln die Freiheit lassen und dafür Menschen gefangen halten.»
    «Er wollte Gesellschaft, das hat er zumindest mir gesagt.» Ruth denkt daran, was David sagte, als sie ihm von der toten Sparky erzählte:
Sie hat Ihnen Gesellschaft geleistet.
Und mit einem Schaudern wird ihr klar, dass er an dem Tag, als Peter und sie ihm draußen auf dem Moor begegnet sind, wahrscheinlich gerade auf dem Weg zu Lucy war.Daher auch die große Abneigung gegen Touristen und ihren Müll. Er wollte möglichst jeden von dem Unterstand fernhalten.
    «Gesellschaft», brummt Nelson. «Großer Gott. Warum hat er sich nicht einfach bei einer Online-Partnerbörse angemeldet?»
    Ja, warum eigentlich nicht? Ruth schaut aufs Meer hinaus. Was treibt Menschen überhaupt dazu, bestimmte Dinge zu tun? Warum bleibt sie hier am Salzmoor, wo so viele furchtbare Dinge passiert sind? Warum liebt Nelson seine Frau, obwohl sie eigentlich nichts gemeinsam
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