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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller
Autoren: Uta-Maria Heim
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unter Bluthochdruck. Er durfte sich nicht aufregen, deshalb
sagte sie ihm nicht, was sie vorhatte, sondern wartete nur ab, bis er mit
Einstein seinen Morgenspaziergang machte.
    Ludger Sachs war Lehrer an der Gebrüder-Grimm-Grundschule. Er
fuhr jeden Morgen mit dem Fahrrad dorthin, und er verließ Punkt sieben das
Haus. Irmtraud hatte ihn nicht fortgehen sehen, und als sie in die Einfahrt zum
Nachbarhaus einbog, warf sie einen verstohlenen Blick auf die Garage. Sie
näherte sich behutsam und drückte zaghaft die Klinke der Seitentür. Sie war
verriegelt. Es war gut, dass der Nachbar so umsichtig war, schließlich stand
drinnen der gelbe VW-Bus, mit dem er im Urlaub nach Italien fuhr. Plötzlich
glaubte Irmtraud sich zu erinnern, dass sie im Halbschlaf über dem Geschrei der
Vögel das Bollern des Motors gehört hatte. Doch das musste ein Traum gewesen
sein, denn Ludger bewegte den Bus nur, wenn er hinunter in den Süden wollte.
Sonst fuhr er immer mit dem Fahrrad. Irmtraud rüttelte am großen Garagentor.
    Sie ging um das Haus herum in den Garten. Eine Amsel hüpfte
wippend über das nasse Gras. Die gardinenlosen Fenster waren geschlossen, die
Rollläden halb heruntergelassen. Es sah aus, als wäre der Lehrer in die Ferien
gefahren, aber Pfingsten war erst in der nächsten Woche. Außerdem hatte Ludger
sie nicht gebeten, die Katze zu füttern. Bei einem Blick ins Wohnzimmer konnte
Irmtraud erkennen, dass der Laptop fehlte. Vielleicht war in der Nacht
eingebrochen worden, und Ludger war bei der Polizei. Irmtraud ärgerte sich,
dass sie am Abend nicht herübergekommen war und nach dem Rechten gesehen hatte.
Wo Einstein so ein Theater machte. Andererseits konnte auch alles wieder seine
Ordnung haben. Vielleicht hatte Ludger den Laptop mit in die Schule genommen.
    Furchtlos schritt sie zum Schuppen. Er war wie immer
unverschlossen. Irmtraud machte die Tür auf und brauchte einen Moment, um sich
an die Dunkelheit zu gewöhnen. Drinnen herrschte das übliche Durcheinander, nur
dass ein in der Mitte gespaltener Bildschirm an eine Leiter gelehnt war, die
hinauf auf den Boden führte. Irmtraud stieg hoch. Sie sog die Luft ein und
stieß einen Schrei aus. Auf den Latten lag ein blauer Pullover. Darauf saß
Ludgers Katze und stierte sie aus gelben Augen an.

     
    *

     
    Die Nacht zum Montag war kurz
gewesen. Ludger Sachs hatte noch bis in die frühen Morgenstunden hinein an
seinem Laptop gesessen. Er hatte sich die DVD von der Erstkommunion seines
Neffen angeschaut, in der festlich geschmückten Dreifaltigkeitskirche. Im
Wohnzimmer war kein Licht. Es roch angenehm frisch. Die Tür zur Terrasse stand
einen Spalt offen und herein wehte ein leichter Luftzug.
    Luca sah süß aus in seinem dunkelblauen Anzügle. Er war ein
wenig zu klein und zu dünn für sein Alter, mit einem blonden Bürstenhaarschnitt
und einem blassen, ernsten Gesicht. Luca war ein Junge, der Schutz brauchte.
Mit neun war er noch neugierig und naiv und nicht so abgefuckt wie die Boys,
die in die Pubertät kamen.
    Der Weiße Sonntag war vor fünf Wochen gewesen, am letzten
Märzwochenende, und es war kalt. Luca fror, weil Gina ihm ein zu dünnes
Hemdchen angezogen hatte. Er schaute bibbernd in die Kamera und versuchte zu
lächeln. Vor der Kommunionfeier hatte Luca zum Pfarrer gehen müssen, um zu
beichten. Ludger hatte ihm gesagt, es gab Sünden, das waren Todsünden. Die
waren so schlimm, dass man sie nur dem Papst beichten konnte. Und wenn gerade
kein Papst in der Nähe war, musste man sie für sich behalten, sonst kam man
später in die Hölle.
    Ludger schaute auf die Uhr auf seinem Bildschirm. Er sah:
3:57. Noch genau sechs Stunden. Um zehn war die Heilige Messe, die er mit Luca
besuchen wollte. Anschließend würden sie mit dem Pfarrer reden. Luca wurde
Ministrant, wie Ludger früher. Gina fand zwar, dass die Messen in Italien viel
feierlicher waren, aber sie hatte eingewilligt. Und Gernot, Ludgers zweieiigem
Zwillingsbruder, war alles egal, was mit der katholischen Kirche und dem
Glauben zu tun hatte. Gernot und Gina waren ein seltsames Paar: Sie, die
temperamentvolle Italienerin, und er, der stoische schwäbische Technokrat. Luca
glich keinem von beiden. Am ehesten ähnelte er Ludger. Daher wurden sie auch
immer für Vater und Sohn gehalten.
    Ludger merkte, dass er am Schreibtisch einnickte. Er
schaltete den Laptop aus und ging ins Bad, um die Zähne zu putzen. Bevor er
sich hinlegte, schloss er die
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