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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller
Autoren: Uta-Maria Heim
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Verhaltensweisen, die als infantil eingestuft wurden und nicht in das sonstige
Handlungsmuster passten. Es konnte aber auch sein, dass der Mantelmörder damit
einer Regung nachkam und etwas ausdrücken wollte, das nicht verstanden wurde.
    Weil man keine Vergleichsfälle fand, wurde der Fall
nachträglich doch als Einzeltat gewertet. Der unaufgeklärte Mord wurde zu den
Akten gelegt, als fünf Jahre darauf ein ähnliches Verbrechen geschah. Die
Fallanalytiker vermuteten schon bald einen Tatzusammenhang.

     
    Fall 2: Am 23. Juni 1999 verschwand auf einem
Campingplatz bei Lindau die 17-jährige Theresia Bösinger. Sie war körperlich
und geistig behindert und auf einen speziell für sie gefertigten Rollstuhl
angewiesen. Wieder war es beim Baden passiert. Theresia war im Rollstuhl
eingenickt. Sabine Bösinger, die als Mutter alleinerziehend war, hatte sie in
Liegeposition gebracht und unter einem Schatten spendenden Baum am Seeufer
zurückgelassen. Dann schwamm sie eine Viertelstunde im Bodensee. Als Sabine Bösinger
aus dem Wasser stieg, war Theresia samt Rollstuhl verschwunden. Niemand hatte
darauf geachtet, wer sie mitnahm, obwohl der Badestrand belebt war. Keiner
konnte eine Beschreibung des Mannes geben, der den Rollstuhl »mit großer
Selbstverständlichkeit«, wie ein Zeuge sagte, an sich genommen und
fortgeschoben hatte. Theresia war verschwunden, und die unmittelbar
eingeleitete Fahndung erbrachte nicht den leisesten Hinweis.
    Vier Tage darauf wurde ihre Leiche von zwei Mountainbikern in
einem Waldstück zwischen Weingarten und Bad Waldsee gefunden, direkt an der
Oberschwäbischen Barockstraße. Sie lag auf dem Bauch. Über dem nackten Mädchen
war ein dunkelblauer Regenmantel ausgebreitet, der die Beine bis zu den Knien
unbedeckt ließ. Der Fundort war nicht der Tatort, wie Schleifverletzungen in
Bauch- und Brusthöhe zeigten.
    Theresia Bösinger war auf ritualisierte Weise zu Tode
gekommen, die ein verfeinertes Muster des Vorgehens entblößte, das Roswitha
Mayer widerfahren war. Wieder arbeiteten dieselben Fallanalytiker an der
Aufklärung eines Verbrechens, dessen schockierende und abstoßende Details nicht
nur der Öffentlichkeit, sondern auch den Angehörigen des Opfers vorenthalten
wurden. Der Tod war langsam und qualvoll herbeigeführt worden, mithilfe
diverser Werkzeuge – u. a. Schere, Hammer, Messer, Zange,
Skalpell –, die am Fundort auf der Leiche zurückgelassen wurden. Wobei das
Töten nicht zielgerichtet vonstatten ging. Vielmehr handelte es sich um schwere
und schwerste Misshandlungen, die zu Rippenbrüchen, Atemnot, Organversagen und
inneren Blutungen mit Todesfolge führten. Wieder war das Opfer vor und nach
Todeseintritt missbraucht und geschändet worden. Relevante Spuren wurden
vermieden oder aber beseitigt.
    Die Fallanalytiker werteten die Bedeckung als Hinweis auf den
paradoxen Wunsch des Täters, sein Opfer nachträglich zu beschützen und zu
bemuttern. Die Handschrift ließ ihrer Meinung nach wieder darauf schließen,
dass man es mit einem planenden Mörder zu tun hatte. Sie tippten auf einen
Serientäter, der auch dieses Verbrechen nicht spontan begangen hatte, sondern
einen extrem hilflosen und leicht zu überwältigenden Opfertyp bevorzugte, dem
er geschickt nachstellte. Der Täter war von vornherein auf alleinigen
Machtbesitz aus. Es ging ihm nicht darum, das Opfer zu unterwerfen und seinen
Willen zu brechen, sondern er verging sich an ungleich Schwächeren. Dem Risiko,
Kräfte zu messen und der Gefahr zu unterliegen, wich er programmatisch aus. Er
hatte Angst vor dem Wettbewerb. Diese Charaktereigenschaft musste auch in seinem
Vorleben bereits aufgefallen sein. Die Fallanalytiker spekulierten auf ein
Einzelkind, das eine inkonsequente Erziehung genossen hatte, in der emotionale
Verbindlichkeit fehlte. Er hatte kein psychisches Leitbild und konnte keine
Empathie entwickeln. Wie alt der Täter war und aus welchem Umfeld er stammte,
blieb offen. Er musste zumindest durchschnittlich intelligent sein,
einigermaßen kräftig und einen Wagen zur Verfügung haben.
    Als Auslöser der Tat zogen die Ermittler Stress in Erwägung.
Von der sexuellen Motivation kamen sie ab. Vielmehr wurde nun davon
ausgegangen, das Motiv sei in erster Linie Sadismus, möglicherweise verknüpft
mit einem pathologischen Missionsgedanken. Man überlegte, ob der Unbekannte als
Kind durch irgendwelche schaurigen Erzählungen mit den Euthanasieverbrechen
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