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Totenhaut

Titel: Totenhaut
Autoren: Chris Simms
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hob die Frau von dem kalten Stein und trug sie aus diesem grauenhaften Raum mit dem ekelerregenden, süßlichen Aroma von Blut, frischem und altem.
    Oben in der Küche legte er sie auf den Tisch, senkte ihren Kopf behutsam auf die Eichenplatte und kippte ihn nach hinten, um sicherzustellen, dass ihre Atemwege nicht blockiert wurden. Er hörte, wie Rick draußen auf den Stufen vor der Tür telefonierte. Er setzte sich an den Tisch, als wolle er an der Seite der Frau Wache halten.
    Die Aktentasche und die Unterlagen des Arztes lagen noch immer auf dem Boden. Jons Blick blieb auf dem obersten Ordner und dem Namen, der auf dem Deckblatt geschrieben stand, hängen: »Alex/Alexia Donley.«
    Alexia. Der Name der Prostituierten, die Fiona Wilson so verzweifelt suchte. Er hob den Ordner hoch und schlug ihn auf.
    Ein Patientenprofil, das Polaroidfoto eines Mannes in der rechten oberen Ecke. Er starrte in die Kamera, sein trotziger Blick ein Ausdruck seiner Verlegenheit.
     
    Alex Donley
    Alter: 34
    Erste Begutachtung: 03.03.01
     
    Patientengeschichte: Alex kam in einem Zustand beträchtlicher Aufregung zu mir. Er ist in den letzten Jahren zu der Auffassung gelangt, ein Transsexueller zu sein, und hat deshalb beim NHS um eine Geschlechtsumwandlung gebeten. Sein Hausarzt überwies ihn »widerwillig« (um Alex’ Ausdruck zu benutzen) in die Beratungsstelle für Geschlechtsi dentitätsstörungen des Krankenhauses Charing Cross. Nach einer gründlichen Begutachtung kam der dortige Konsiliararzt für Psychiatrie zu dem Schluss, dass Alex nicht wirklich transsexuell sei. Alex berichtete mir mit großem Sar kasmus, der Psychiater sei der Meinung, dass er, Alex, nur deshalb daran interessiert sei, eine Frau zu werden, weil er glaube, damit das Problem der gewalttätigen Ausbrüche, zu denen er neigt, lösen zu können. Ich befragte Alex eingehender zu diesem Punkt, und er brachte seine Erwartung zum Ausdruck, dass nach der Entfernung seiner Hoden und durch die Einnahme von Östrogenen seine männlichen Persönlichkeitsmerkmale (die sich für ihn ausschließlich als Aggressivität manifestieren) ersetzt würden durch weibliche Merkmale (die sich für ihn ausschließlich als Mitgefühl manifestieren). Trotz dieser grob vereinfachenden Einstellung stellt Alex einen seltenen und lohnenden Fall dar.
     
    Jon hörte Schritte in der Diele. Als er aufsah, kam Rick mit zwei bewaffneten Kollegen herein.
    »Wo ist er?«, fragte der, der voranschritt.
    Jon deutete mit einer Kopfbewegung auf die Kellertür. »Da unten. Aber ihr müsst euch keine Sorgen machen, er ist tot. Das ist jetzt ein Tatort, also haltet ihr euch am besten fern.« Er wandte sich wieder dem Ordner auf seinem Schoß zu und blendete die Stimmen um sich herum aus.
     
    Ich erklärte Alex, dass ich weder über die Fachkenntnisse noch über die Ausstattung verfüge, um eine Vaginoplastie durchzuführen, und empfahl ihm, diese Operation in Holland machen zu lassen und privat zu bezahlen. Dennoch war ihm sehr daran gelegen, dass ich sein Gesicht operiere, um seine Züge weiblicher zu machen. Wir vereinbarten, dass er mit einer Hormontherapie beginnen solle, damit ihm Brüste wachsen, das Fett an der Hüfte und den Oberschenkeln sich umverteilt, seine Körper- und Kopfbehaarung weicher und seine Stimmlage höher werden.
    Was die Gesichtsrekonstruktion betrifft, haben wir Folgendes vereinbart:
    Otopexie (Korrektur der abstehenden Ohren) Rhinoplastik (Gestaltung einer schmäleren Nase)
    Chondroplastie des Schilddrüsenknorpels (Korrektur des hervorstehenden Adamsapfels)
    Osteotomie der Mandibula (Korrektur des eckigen Unterkiefers)
    Hautimplantate für Wangen, Kinn und Lippen (Rundung des Gesichts)
    Laser-Haarentfernung (Genick, Brust, Brustwarzen, Achselhöhlen, Unterarme und Hände)
    Brustvergrößerung (Körbchengröße C)
     
    Alex ist informiert, dass die Behandlungen inoffiziell sind und die Preise, die ich berechne, das widerspiegeln. Er hat erklärt, dass er etappenweise zahlen wird, sobald er die notwendigen Summen zur Verfügung hat.
     
    Eine Hand rüttelte Jon an der Schulter. Er blickte auf. Es war der Kollege von vorhin.
    »Ich möchte wissen, wie’s ihr geht. Was hat er mit ihr gemacht?«
    »Sie irgendwie sediert.« Jon hielt einen Finger an ihren Hals. »Puls und Atmung sind regelmäßig. Wo bleiben denn diese verdammten Sanitäter?«
    »Sind unterwegs.«
    Jon fluchte und wandte sich wieder dem Ordner zu. Auf der nächsten Seite gab es ein Bild von Alex mit Verbänden
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