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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau
Autoren: Bernhard Aichner
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Drecksau.

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Showdown. Sie kann nicht mehr zurück. Nie mehr. Da ist nur noch, was kommen wird. Die Möglichkeit, dass sie gewinnen. Dass sie verlieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sie sieht, dass irgendetwas dazwischenkommt. Dass ihr wahnwitziger Plan nicht funktioniert. Alles könnte passieren. Dass sie stirbt, dass man sie verurteilt und für immer einsperrt. Alles kann sein, und trotzdem, sie tun es, Blum will es so, sie hat keinen Zweifel, dass es richtig ist. Auch Reza nicht. Er wird tun, was nötig ist. Für Blum. Für Mark. Er liegt im Laderaum unter einer Decke und wartet, bis der Wagen stehen bleibt. Mit dem Leichenwagen direkt zu Massimos Haus, Blum fährt. Nicht mit dem Cadillac, sondern mit dem Kleinbus. Nicht auffallen. Mit einem Sarg im Gepäck, dem billigsten, den sie im Programm haben, eine Fichtentruhe ohne Deckel. Weil er sie sehen soll. Weil sie mit ihm reden will, bevor er stirbt. Seine Augen sehen. Seine Angst.
    Langsam bis zum Stadtrand. Eine Wohnsiedlung. Hier haben sie vor knapp sieben Jahren ein Haus gebaut. Ute und Massimo. Damals schien die Welt noch in Ordnung. Ute trank noch nicht, sie glaubten an ein Trampolin im Garten, an eine gemeinsame Zukunft. An Kinder. Wie oft Mark und Blum früher hier waren, Grillen, zusammen glücklich sein, Sommerabende lang. Einfach so. Das Haus von Freunden. Vertraut alles. Wie es dasteht, Blum kann es schon von weitem sehen. Ute hatte auf das Grün bestanden. Die Fassade leuchtet zwischen den anderen Häusern, die Garage steht offen. Blum hat ihn noch einmal angerufen und ihn gebeten, das Tor zu öffnen. Sie hat ihm gesagt, dass sie nicht gesehen werden will. Nicht nach dem, was mit Ute passiert ist. Keine Gerüchte in die Welt setzen, nicht auffallen. Hinfahren. Wegfahren.
    Sie stellt den Motor ab und macht das Tor von innen zu. Reza bleibt im Wagen. So lange, bis Blum im Haus ist, bis sie Massimo umarmt. Dann wird Reza aus dem Auto steigen, ins Haus schleichen und ihn niederschlagen. Mit einer Eisenstange auf den Kopf, bewusstlos wird er am Boden liegen. Sie werden ihn mit Klebeband fesseln und knebeln, dann werden sie ihn in den Sarg legen, sie werden Decken über ihn breiten und den Sarg damit ausfüllen, dann werden sie ihn festbinden, das Klebeband um den Sarg wickeln. Sie werden dafür sorgen, dass er sich nicht mehr bewegen, sich nicht mehr befreien kann. Sich nicht herauswinden kann, wenn er wieder aufwacht. Sein Schreien wird niemand hören. Es wird schnell gehen, sie werden den Sarg in den Wagen laden und wegfahren.
    Der erste Schritt. Parken und Aussteigen. Jetzt. Keine Angst vor dem Unberechenbaren. Davor, dass er wissen könnte, dass sie nicht allein ist. Weil er damit rechnet, dass Reza mitkommt. Weil Massimo Polizist ist, weil er es riecht, wenn etwas nicht stimmt. Kurz sind da wieder diese Zweifel, diese Angst. Was, wenn er vorbereitet ist, wenn er sie mit einer Waffe in der Hand empfängt? Weil alles passieren kann. Er könnte Reza kommen hören, während sie versucht, ihn abzulenken. Massimo könnte sich von Blum losreißen und Rezas Schlag ausweichen. Blum sieht es vor sich. Wie die Eisenstange durch die Luft fliegt, wie Massimo sich wehrt, wie er Reza überwältigt, ihn schlägt.
    Blum öffnet die Tür. Nicht nachdenken. Weitergehen. Durch einen kleinen Verbindungsgang direkt ins Haus. Sie ruft seinen Namen, sie hat Angst, ihr Herz schlägt laut. Sie hört es. Ihr Herz und seine Stimme, die aus der Küche kommt. Komm rein. Ich habe einen guten Roten für uns. Blum sieht ihn. Wie er vor ihr steht. Das fromme Lamm, dem kein Mensch jemals zutrauen würde, was er getan hat. Massimo, eine Flasche in der Hand, den Öffner, mit dem er den Korken nach oben zieht, und zwei Gläser, die er füllt, während Blum in der Tür stehen bleibt. Sie lächelt, sie überwindet sich, dann geht sie zu ihm hin und umarmt ihn. Blum küsst ihn auf die Wange, sie lässt sich Zeit, er soll keinen Verdacht schöpfen, sich sicher fühlen. Zärtlich ihre Lippen auf seiner dreckigen Haut. Schön, dass wir allein sind . Sie flüstert es und wendet sich wieder von ihm ab. Keine Sekunde länger so nah. Keine Zeit verlieren, kein Risiko eingehen. Unauffällig schaut sie sich um, sie sucht nach etwas, das ihr sagt, ob Gefahr droht. Etwas Ungewöhnliches, etwas, das anders ist als sonst. Sie sucht es auch in seinem Gesicht, sie schaut ihm in die Augen, sie wendet ihre nicht ab. Noch kann sie flüchten, rennen. Noch ist da keine Maske, kein lachender Mund, der
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