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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht
Autoren: Marcia Muller
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von San Diego dorthin, um welche zu kaufen.« Ich hatte
die schönsten Perlen aufgehoben. Sie lagen jetzt lose in meinem
Schmuckkästchen.
    »Du warst ein richtiges Blumenkind,
stimmt’s?« sagte Hank. »Das hätte ich nie vermutet. Als wir uns in Berkeley
kennenlernten, hielt ich dich für so eine... Sportskanone.«
    »Das war ich auch. In meinem letzten
Jahr an der High-School war ich Kapitän der Schulmannschaft. Das ganze
Hippiegetue war nur Maskerade; es gab uns ein gewisses Gefühl der
Zusammengehörigkeit und Verruchtheit. Bevor ich an die Uni kam, hatte ich fast
nie Hasch geraucht und war nur bei einem kleineren Friedensmarsch dabeigewesen.
Als ich ins College ging, hatte die Bewegung ihre Kraft verloren, und außerdem
hatte ich vor lauter Studieren und Arbeiten auch keine Zeit.« Ich hatte mein
Studium finanziert, indem ich nachts und an Wochenenden als Wachposten
arbeitete. In den frühen Morgenstunden hockte ich dann über meinen Büchern.
    Hank nickte, sein Blick war weit weg.
Was sah er wohl? Den jungen Mann und die junge Frau, die wir einst gewesen
waren? Verglich er die Idealisten von früher mit dem, was aus uns geworden
war?: in seinem Fall ein desillusionierter, aber immer noch hoffnungsvoller
Träumer; in meinem eine Realistin, deren Zynismus noch immer nicht in
Bitterkeit umgeschlagen war?
    »Kann ich den Revolver und das andere
Ding behalten?«
    Er wachte auf aus seinen Träumen.
»Natürlich. Ich glaube nicht, daß die Heilsarmee daran Interesse hat. Den
Revolver behalten wir lieber noch eine Weile, bis...« Nicht wissend, welche
Eventualitäten noch auf uns zukommen könnten, führte er den Satz nicht zu Ende.
    »Ich leg’ ihn in den Tresor, wo ich
auch meinen eigenen Revolver aufbewahre. Dort ist er gut aufgehoben. Bevor die
Möbel und die Kisten abgeholt werden, solltest du die, die ich im Eßzimmer zur Seite
gestellt habe, nochmals durchsehen. Da sind viele persönliche Dinge dabei und
eine recht wertvolle Sammlung von Baseballkarten. Es wäre ganz nett, wenn
Hilderlys Kinder die Baseballkarten und ein paar andere Sachen zur Erinnerung
an ihren Vater hätten.«
    »Das ist eine gute Idee. Ich werde
dafür sorgen, daß sie sie bekommen.«
    Ich half Hank beim Ausräumen der
restlichen Schränke und bot ihm an, die Schlüssel bei der Vermieterin
abzugeben, die ganz in meiner Nähe wohnte. Doch er wollte das selbst erledigen
und meinte dann: »Was ich dir noch sagen wollte: Am Montag abend koche ich bei
mir ein Chili, zu Ehren von Anne-Maries Geburtstag. Jack und Ted, Rae und
Willie kommen auch. Ich würde mich freuen, wenn du es einrichten könntest.«
    »Rae und Willie — das scheint eine
recht ernste Sache zu sein?«
    »Scheint so. Hast du etwas dagegen?«
    Seit meine Assistentin vor ein paar
Monaten diese Beziehung mit Willie Whelan angefangen hatte, hatte ich so meine
Zweifel an dieser neuen Liebe, vor allem weil mir Willies zahllose Schwächen
nur allzu vertraut waren. Er ist ein Freund von Hank aus Vietnam-Zeiten, ein
ehemaliger Hehler, der — wie er es formuliert — ›auf den rechten Weg
zurückgefunden hat‹. Aus einem kleinen Laden für billigen Schmuck auf der
Market Street hatte er eine Goldgrube gemacht. Überall in der Bay Area gab es
jetzt Filialen. Er ist sehr stolz darauf, daß er — wie sein Erzrivale im
wohlbekannten Diamond Center — seine eigenen Werbespots im Fernsehen macht.
Spätabends kann man auf der Mattscheibe beobachten, wie er die Jungen und
Leichtgläubigen dazu verlockt, Schmuckstücke zu kaufen, die sie gar nicht
brauchen, die Käufe mit Krediten zu finanzieren, die ewig auf ihnen lasten
werden, und — wenn sie erstaunlicherweise nicht in Zahlungsverzug geraten — einen
guten Teil ihrer Einkünfte für den Rest ihres Lebens an Willie Whelan zu
zahlen.
    Willie ist in vieler Hinsicht ein
großartiger Kerl — vorausgesetzt man kauft ihm nichts ab und nimmt ihn nicht
allzu ernst. Aber ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, was meine
kluge, junge, vor kurzem geschiedene Assistentin an ihm fand.
    »Ich kann mir da kein Urteil anmaßen.
Ich hoffe nur, daß er ihr nicht weh tut«, sagte ich zu Hank.
    »Das wäre schlimm, so kurz nachdem sie
Doug-das-Arschloch, wie sie ihren Exmann gerne nennt, losgeworden ist. Aber wie
steht es nun — kommst du zum Abendessen?«
    Ich warf einen Blick in meinen
geistigen Kalender. Ich hatte vorgehabt, Anne-Marie Altman, Hanks Frau, an
ihrem Geburtstag zum Essen einzuladen, aber angesichts des neuen Falles würde
ich
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