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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition)
Autoren: Simone Malina
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auf die „VI“ schnipste. Viel zu schnell, wie sie dachte. Sie nahm die Feder wieder zur Hand.
     
    ...aber leider hält sich meine Geduld in Grenzen. Schließlich warte ich bereits sieben Jahre lang. Eine beachtliche Zeitspanne, in der ich meine Fügsamkeit unter Beweis gestellt habe und mir somit eine bevorzugte, wenn nicht gar eiligste Behandlung meines Anliegens, erdient habe. Darüber hinaus möchte ich nicht nur auf die Dringlichkeit, sondern untertänigst auch auf die magische Bedeutsamkeit der Jahresspanne verweisen. Sieben Jahre! SIEBEN! Das ist doch wohl nicht irgendeine beliebige Zahl. Sondern vielmehr ein spirituelles Symbol! Falls Euch dieses gewichtige Detail entfallen sein sollte, so bitte ich Euch meiner Behauptung Folge zu leisten und im hausinternen „Schicksalsführer“ einmal nachzuschlagen. Ich kann ja wohl nicht ewig warten, nur weil Du – Entschuldigung – Ihr, schicksalslenkende Zeichen überseht. Selbstverständlich nur, wenn es Eure kostbare Zeit erlaubt – oder nein, gerade weil es Eure Zeit erlaubt. Schließlich habt Ihr, im Gegensatz zu mir, keine Zeit zu verlieren.
     
    Bei aller Liebe, liebe Liebesgeister, Ihr könnt Euch nicht anmaßen, meine Zeit damit zu verschwenden, indem ich Euch nur dabei zusehen darf, wie Ihr Kraft Eures Amtes waltet. Glaubt Ihr, dass es damit getan ist, wenn Ihr mir eine kleine Kostprobe Eures Repertoires präsentiert, damit ich den Appetit nicht verliere? Fürwahr, eine durchaus beeindruckende Freilichtvorstellung, die Ihr mir da in Nachbars Garten geboten habt – danke. Mir ist das Wasser im Mund zusammengelaufen. Obwohl es sich doch eher um eine dieser avantgardistischen Stücke gehandelt hat, in der Ihr Euch von einer sehr progressiven und triebgesteuerten Seite dargestellt habt. Was zum Teufel wolltet Ihr denn damit erreichen? Mich schockieren? Wolltet Ihr meine romantischen Gefühle, die ich Euch gegenüber hege, verletzen, damit ich mich von Euch abwende – endlich mein Maul halte? Wenn Ihr damit spekuliert habt, muss ich Euch enttäuschen. Mag sein, dass ich mich bis jetzt der sinnlichen Leidenschaft mehr gewogen fühlte als der wollüstigen Gier. Aber Eure Kostprobe hat mich eines Besseren belehrt. Auch ich bin sehr wohl, ich betone – sehr wohl – imstande, der animalischen Triebbefriedigung etwas Reizvolles abzugewinnen! Wenngleich ich zu meiner Verteidigung betonen muss, dass ich meine sexuelle Begierde in einem genügsameren Rahmen bewegen würde, und ich mich nicht aufführen würde wie diese unersättliche Nacktschnecke. Ich fände es außerordentlich geschmacklos meinem Partner während des Liebesspiels mit kommandoähnlichen Zurufen anzufeuern. Diese zeitgeistliche Marotte entspräche beileibe nicht meinen Vorstellungen. In diesem Sinne, möchte ich nochmals auf die Dringlichkeit meiner Bedürfnisse verweisen und verbleibe mit ergebener Hochachtung.
     
    P.S. Wieso hat sich meine Nachbarin, während des Geschlechtsaktes, permanent zwischen ihre Beine gefasst? Ich tippe auf eine neumodische Sexualpraktik, von der ich mich ausdrücklich distanzieren möchte!
     
    Isolde schraubte den goldenen Füllfederhalter sorgfältig zu wie ein Kommunionskind nach dem Schreiben der Dankesbriefe, der schönen Geschenke wegen, legte ihn genau parallel zu ihrer Schreibunterlage ab und begann noch einmal gewissenhaft ihre Zeilen zu lesen.
    Nichts als das ewige Wiederkäuen von Begehrlichkeiten, dachte sie, als sie die Hälfte ihres Briefes gelesen hatte. „Nichts als zaghaftes Gemaule und unterwürfiges Gewinsel“, murmelte sie vor sich hin.
    Aber sie las weiter. Und je mehr sie sich wieder in ihre Zeilen vertiefte, desto mehr verblasste ihr vorgefasster Eindruck und ein verschmitztes Lächeln nistete sich in die Fältchen ihrer Mundwinkel ein. Sorgfältig faltete sie den Brief zusammen, steckte ihn in ein champagnerfarbenes Couvert und adressierte es wie üblich „An die Liebe“.
    Sie ließ den Umschlag noch ein wenig mit der Hand flattern, damit die Tinte schneller trocknete, bevor sie die brennende Kerze nahm und das Wachs auf die Rückseite träufelte. Sie setzte ihr „Siegel“, wie üblich, indem sie ihren rechten Daumen auf das dunkelrote Wachs drückte. Und noch während ihr Finger in der heißen Masse schmerzte, warf sie einen Blick zum Fenster hinüber und überlegte, ob sie ihn gleich noch einwerfen sollte. Es war bereits zappenduster. Aber es hatte aufgehört zu regnen. Kurz entschlossen nahm sie den Brief zur Hand, kratzte sich die
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