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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition)
Autoren: Simone Malina
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kam, dass etwas nicht stimmte. Ach ja, das Licht, und dass sie fröstelte, fiel ihr auch noch ein. Also stand sie auf, schaltete das Licht an und zog ihre durchnässte Kleidung aus. Das geblümte Leinenkleid und den Schlüpfer. Einen Büstenhalter trug sie nicht. Das klatschnasse Kleid hängte sie korrekt auf einen Bügel. Sie öffnete sachte die schwere Spiegeltür und hängte das Kleid in den Schrank, ohne sich an dessen Zustand zu stören. Sie kramte aus dem Schrank eine Flasche Sherry hervor, die sie als eiserne Reserve in einem Stiefel versteckt hatte und nahm einen beherzten Schluck. Sie schob die Spiegeltür wieder zurück und taxierte mit scheuem Interesse den nackten Körper, der ihr gegenüberstand und offensichtlich nicht so recht wusste, was er zu seiner Rechtfertigung zu sagen hatte. Isolde betrachtete mit abschätzendem Interesse ihr Gesicht. Ja, nun, ihr Gesicht. Das war so eine Sache. Es besaß das gewisse Nichts. Nichts Ausdrucksvolles, nichts Rätselhaftes, nichts Verräterisches. Ein Gesicht, das man sich nur einprägen konnte, wenn es über die Stränge schlug. Eindringlich begutachtete sie den matten Glanz ihrer heufarbenen Augen, die wirkten, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Plötzlich wurde sie von einer inneren Unruhe erfasst. Ihr Herz hämmerte. Nichts Besonderes. Isolde kannte diese Panikattacken und wusste, was sie zu tun hatte. Sie zog sich den gestreiften Herrenbademantel über, der auf dem Bett lag, verknotete mit geschicktem Griff ihren langen blonden Zopf zu einem schneckenförmigen Gebilde und rülpste. Dann verstaute sie die Sherryflasche wieder im Kleiderschrank und schob die Spiegeltür mit einem energischen Ruck zu.
    Eine Art Rausschmiss … unter Freunden.
     
     
     

2. K apitel
     
    Isolde ging ins Wohnzimmer, setzte sich an ihren Schreibtisch und knipste den Lampenschirm an. Sie entfachte noch zusätzlich eine Kerze und schraubte ihren Füllfederhalter auf. So wie immer, wenn sie diese innere Unruhe quälte. Sie schrieb mit roter Tinte, großen geschwungenen Buchstaben und einem konzentriertem Ausdruck im Gesicht. So wie immer, wenn sie ein Gnadengesuch verfasste.
     
    Liebe Götter und Engel der Liebe,
    ich bitte Euch inständig um Nachsicht, dass ich wieder einmal so offen und ehrlich meine Gedankenwelt niederschreibe. Doch leider habt Ihr mein Flehen, mein zaghaftes Bitten, meine unstillbare Sehnsucht nach Euch, liebe Liebe, nicht erhört.
    Obwohl ich Euch in meinem letzten Brief einige Tauschangebote unterbreitet habe, die mir als würdig erschienen, mich für Eure Gunst erkenntlich zu zeigen. Erscheint es Euch zu profan, dass ich eine Rose für Euch züchten und sie mit Euren Namen versehen würde oder dass ich das Unkraut in meinen Garten in Zukunft mit den Zähnen jäte? Besteht Ihr auf einer noch demütigeren groteskeren Form der Gegenleistung? Dann gebt mir ein Zeichen! Schließlich verfüge ich, im Gegensatz zu Euch, nicht über die Begabung des Hellsehens! Allenfalls über die weit weniger erbauliche Variante, jene des bösen Erwachens. Ich möchte gewiss nicht in Ungnade fallen, aber es fällt mir schwer, Eure stiefmütterliche Behandlung, mir gegenüber, gutzuheißen.
    Was habe ich Euch, mit Verlaub, verdammt noch mal getan, dass Ihr mich so lange mit Eurer Ignoranz straft? Seid Ihr etwa nachtragend? Wollt Ihr mich für eine Tat büßen lassen, die ich in Eurem Namen begangen habe?
    Nein – nein, ich bitte um Vergebung! Das ist eine törichte Unterstellung meinerseits. Ihr würdet Eure Handlanger doch nicht verurteilen. Ganz im Gegenteil. Ihnen gebührt Eure Wertschätzung. Ohne sie gäbe es keine Täter, keine Opfer, keinen Liebestod. Ohne Eure Helfershelfer wäret Ihr nicht die Göttinnen und Götter der Gefühle, sondern nur eine belanglose Stimmungsschwankung – eine launische noch dazu. Bedeutungslos – austauschbar.
    Ich muss mich ganz einfach nur in Geduld üben, bis Ihr Euch meiner annehmen könnt. Zumal ich nicht die einzige bin, die um Eure Wertschätzung buhlt. Da gibt es gewiss weitaus bedeutsamere Fälle, die sich um Euch verdient gemacht haben. Ja, ich muss geduldig sein, geduldig, geduldig. Ich gelobe, ich werde mich bemühen. Mit etwas Geduld geht das schon...
     
    Isolde legte den Füllfederhalter beiseite, rieb sich die müden Augen und warf einen Blick auf die Standuhr, die ihr genau gegenüber stand. Zwanzig Minuten nach eins. Isolde hörte ihr zu, wie sie die Zeit heruntertickte. Beobachtete den großen Zeiger und wartete, bis er
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