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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext
Autoren: Terry Pratchett
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Das ergab Fragen nach den Gründen ihrer eigenen Präsenz. Bestimmt konnte Oma Wetterwachs zufriedenstellende Antworten finden, doch dazu brauchte sie Zeit. Sie seufzte innerlich und beschloß, es dabei zu belassen.
    »Oh«, erwiderte sie und nickte. »Nun, Desiderata war immer sehr ordentlich, auf ihre eigene Art und Weise.«
    »Vermutlich lag’s an ihrer Arbeit.« Nanny Ogg schob sich an Oma vorbei und sah sich neugierig im Zimmer um. »Wer derartige Pflichten wahrnimmt, muß imstande sein, das Wesentliche im Auge zu behalten. Meine Güte, daß es so große Katzen gibt …«
    »Es ist ein Löwe.« Oma Wetterwachs sah zu dem ausgestopften Kopf überm Kamin.
    »Muß mit enorm hoher Geschwindigkeit an die Wand geprallt sein«, sagte Nanny Ogg.
    »Jemand hat ihn getötet.« Omas aufmerksamer Blick wanderte durch den Raum.
    »Kein Wunder«, erwiderte Nanny. »Wenn sich so ein Biest bei mir durch die Wand bohrte … Ich würde ordentlich mit dem Schürhaken zuschlagen.«
    Es gab keine typische Hexenhütte, aber für atypische Hexenhütten bot das Heim der verstorbenen Desiderata Hohlig ein gutes Beispiel. Bücherregale zogen sich an den Wänden entlang; hier und dort hingen Aquarelle. Der Schirmständer präsentierte einen Speer. Auf der Frisierkommode fanden sich nicht die üblichen tönernen Gegenstände, sondern eher ungewöhnliche Messingtöpfe und erlesenes blaues Porzellan. Getrocknete Kräuter fehlten, aber dafür herrschte kein Mangel an Büchern, die meisten von ihnen gefüllt mit Desideratas kleiner, säuberlicher Handschrift. Auf einem Tisch lagen mit großer Sorgfalt gezeichnete Karten.
    Oma Wetterwachs mochte keine Karten. Sie gewann dabei den instinktiven Eindruck, daß die Landschaft zu kurz kam.
    »Sie scheint tatsächlich viel unterwegs gewesen zu sein«, sagte Nanny Ogg, griff nach einem mit Schnitzereien geschmückten Fächer aus Elfenbein und winkte kokett. 7
    »Nun, für sie war’s leicht.« Oma zog einige Schubladen auf, strich über den Kaminsims und betrachtete kritisch ihre Finger.
    »Desiderata hätte sich wenigstens die Zeit nehmen sollen, ab und zu Staub zu wischen«, sagte sie. »Ich wäre nicht bereit, einfach zu sterben und meine Hütte in einem solchen Zustand zu hinterlassen.«
    »Ich frage mich, wo sie … du weißt schon was hingelegt hat.« Nanny öffnete die Klappe der Standuhr und spähte hinein.
    »Du solltest dich schämen, Gytha Ogg«, sagte Oma Wetterwachs. »Wir sind nicht hier, um danach zu suchen.«
    »Natürlich nicht. War nur so ein Gedanke …« Wie beiläufig erhob sich Nanny Ogg auf die Zehenspitzen, um über den oberen Rand der Kommode hinwegzusehen.
    »Gytha! Hast du denn überhaupt keinen Anstand? Geh in die Küche und koch Tee!«
    »Na schön.«
    Nanny Ogg brummte etwas Unverständliches und verschwand in der Spülküche. Nach einigen Sekunden quietschte eine Pumpe.
    Oma Wetterwachs schlich zu einem Stuhl und tastete unters Kissen.
    Rasch richtete sie sich auf, als im Nebenzimmer etwas klapperte.
    »Ich bezweifle, daß sich das Ding unter der Spüle befindet!« rief sie.
    Nanny Ogg gab keine Antwort.
    Oma zögerte kurz, bevor sie auf leisen Sohlen zum großen Kamin eilte, die Hand ausstreckte …
    »Suchst du etwas, Esme?« fragte Nanny hinter ihr.
    »Der Ruß hier drin ist schrecklich«, sagte Oma Wetterwachs und richtete sich ruckartig auf. »Schrecklicher Ruß.«
    »Du hast es darin nicht gefunden, oder?« erkundigte sich Nanny Ogg zuckersüß.
    »Ich habe überhaupt keine Ahnung nicht, was du meinst.«
    »Du brauchst dich nicht dumm zu stellen«, meinte Nanny. »Jeder weiß, daß sie ein solches Objekt benutzte. Ihr blieb gar keine Wahl – es gehört einfach dazu.«
    »Nun, vielleicht möchte ich mir den Gegenstand einmal ansehen«, räumte Oma Wetterwachs ein. »Und in der Hand halten. Ohne ihn zu benutzen. Davon Gebrauch zu machen … Nein, das käme natürlich nicht in Frage. So ein Ding ist mir nur ein- oder zweimal unter die Augen gekommen. Heutzutage gibt es davon nicht mehr viele.«
    Nanny Ogg nickte. »Weil man kaum mehr geeignetes Holz findet.«
    »Glaubst du, sie ist damit beerdigt worden?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich meine, ich möchte nicht damit beerdigt werden. Immerhin bringt’s eine Menge Verantwortung mit sich. Und überhaupt … Solche Objekte neigen dazu, nicht lange begraben zu bleiben. Sie wollen benutzt werden. Stell dir nur vor, wie das Ding dauernd an den Sargdeckel klopft, und zwar von innen, wie es einen überhaupt nicht zur Ruhe
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