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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext
Autoren: Terry Pratchett
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kommen läßt.«
    Nanny entspannte sich ein wenig. »Ich kümmere mich um den Tee. Zünde du das Feuer an.«
    Sie kehrte in die Küche zurück.
    Omas Finger wanderten über den Kaminsims, auf der Suche nach Streichhölzern – die gar keinen Bestandteil dieses Haushalts bildeten, wie ihr kurz darauf einfiel. Desiderata hatte mehrmals darauf hingewiesen, daß sie viel zu beschäftigt war, um in ihrem Heim auf Magie zu verzichten. Selbst ihre Wäsche wusch sich von allein.
    Oma Wetterwachs hielt nichts davon, magische Energie an häuslicheAngelegenheiten zu vergeuden, und gleichzeitig brodelte nun Ärger in ihr. Sie wünschte sich eine heiße Tasse Tee.
    Nach einer Weile bemerkte sie den verhängten Spiegel.
    »Warum hat sie ihn verhüllt?« murmelte Oma. »Ich wußte gar nicht, daß sich die alte Desiderata vor Gewittern fürchtete.«
    Sie strich das Tuch beiseite. Und riß die Augen auf.
    Nur wenige Personen im Multiversum verfügen über soviel Selbstbeherrschung wie Oma Wetterwachs. Ihre Selbstdisziplin war so fest wie eine Stange aus Gußeisen. Und ebenso flexibel.
    Sie zertrümmerte den Spiegel.
     
    In ihrem Spiegelturm setzte sich Lilith abrupt auf.
    Sie?
    Das Gesicht war natürlich anders. Älter. Viele verstrichene Jahre formen ein Muster aus Falten. Aber Augen verändern sich nicht, und Hexen achten in erster Linie auf die Augen.
    Sie!
     
    Magrat Knoblauch, Hexe, stand ebenfalls vor einem Spiegel, der sich in ihrem Fall jedoch nicht durch eine magische Natur auszeichnete. Darüber hinaus war der Spiegel nach wie vor heil, obwohl gelegentlich nicht viel gefehlt hatte, und er wäre ein Haufen glitzernder Splitter gewesen.
    Sie betrachtete ihr Abbild, runzelte die Stirn und las dann einige Zeilen in der schlichten Broschüre, die am vergangenen Tag eingetroffen war.
    Sie murmelte einige Worte, straffte die Schultern, streckte die Arme, schlug nach einem imaginären Gegner und rief: »HAAAAiiiiieeeeeeeehgh! Äh.«
    Magrat erkannte sich selbst als einen Fall akuter Aufgeschlossenheit. Ihr Selbst stand gewissermaßen nach allen Richtungen offen; im geistigen Stillstand konnte es auch nicht geöffneter sein. Darüber hinaus wartete es ständig darauf, von etwas gefüllt zu werden.
    Derzeit konzentrierte sich ihre Suche nach Erfüllung vor allem auf inneren Frieden, kosmische Harmonie und die wahre Essenz des Seins.
    Wenn die Leute davon sprechen, ihnen sei eine Idee gekommen, so darf diese Redensart nicht im übertragenen Sinne verstanden werden. Ständig sind im Kosmos rohe Inspirationen und winzige Partikel aus unabhängigen Gedanken unterwegs. Von Köpfen wie Magrats werden sie auf die gleiche Weise angezogen wie Wasser von einem Loch in der Wüste.
    Vermutlich lag alles daran, daß ihre Mutter der Rechtschreibung zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, spekulierte die junge Frau. Liebevolle Eltern hätten es bestimmt nicht versäumt, »Margaret« richtig zu buchstabieren. Dann wäre sie Peggie oder Maggie gewesen – große, robuste Namen voller Zuverlässigkeit. Aber Magrat … Das klang, als hauste sie am Flußufer in einer kleinen Höhle, die häufig überflutet wurde.
    Sie erwog die Möglichkeit, ihren Namen zu ändern, aber tief in ihrem Innern wußte sie, daß sie sich falschen Hoffnungen hingab. Selbst wenn sie zu Chloe oder Isobel werden konnte – darunter blieb sie Magrat. Trotzdem: Die Vorstellung, zumindest einen Versuch zu wagen, übte einen gewissen Reiz aus. Wenigstens für einige Stunden nicht mehr Magrat sein …
    Solche Gedanken veranlassen bestimmte Leute, den Ich-suche-nach-meinem-wahren-Selbst-Weg zu beschreiten. Als Magrat mit der Suche nach sich selbst begann, erkannte sie, daß es unklug war, sich Oma Wetterwachs anzuvertrauen. Oma hielt die Emanzipation für ein Frauenleiden, über das man nicht in der Anwesenheit von Männern sprechen sollte.
    Nanny Ogg zeigte mehr Mitgefühl, aber sie neigte diesbezüglich zu einer eher eingeschränkten Perspektive. Für Nanny bedeutete Selbstverwirklichung, auf einem Tisch zu tanzen und das Igel-Lied zu singen.
    Anders ausgedrückt: Magrat hatte die Hoffnung aufgegeben, irgend etwas von den älteren Hexen zu lernen. Sie sah sich andernorts nach Weisheit um, und dabei wanderte ihr Blick immer weiter in die Ferne.
    Wer Weisheit anstrebt, sucht sie erstaunlicherweise immer in der Ferne, ungeachtet des eigenen Aufenthaltsorts. Weisheit gehört zu den wenigen Dingen, die um so größer wirken, je weiter sie entfernt sind. 8
    Zur Zeit befaßte sich Magrat
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