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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Autoren: Anna K.
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sich also schon ziemlich gut, als ich dazukam und erst einmal lernen musste, wie man immer ein freundliches Gesicht macht, auch wenn einem die Füße brennen. Wie man ein Glas Wein hinstellt, ohne dass es umkippt oder an den Teller knallt. Wie man ein Lachssandwich so zusammenklappt, dass auch andere Leute das essen wollen, und wie man Wechselgeld herausgibt, ohne sich dauernd zu verzählen.
    Ich stellte mich anfangs nur zu Sara, Katja, Tim und Jens, wenn sie rauchten, und rauchte mehr oder weniger schweigend mit. Die Jungs, beide zweiundzwanzig und damit ein bisschen älter als wir, waren die Witzemacher der Runde. Sie machten die Omi mit dem wackeligen Gebiss nach (»Hambse keene Schahne, junger Mann?«), und die anderen lachten begeistert.
    Es dauerte eine Weile, bis ich einigermaßen dazugehörte und anfing, mich regelmäßig gegen fünfzehn Uhr, also kurz vor Beginn der offiziellen deutschen Kaffeetrinkzeit, mit Sara und Katja hinter einem der Notausgänge auf eine Zigarette zu treffen. Wir hätten da natürlich nicht stehen dürfen und es war besser, sich nicht von Frau Bock dabei erwischen zu lassen, aber hier war unser Blick fast so gut wie von der Terrasse. Es wäre ein großer Fehler, als Hotelangestellter nicht zu rauchen. Es brächte einen um die Chance, ab und an ein kleines Päuschen zu machen, um der Sucht nachzugehen, für die jeder, aber auch wirklich jeder, Verständnis hat. Was wäre wohl passiert, wenn ich gesagt hätte: Ich gehe mal kurz raus, einen Apfel essen, ich brauch jetzt einen? Es rauchten also fast
alle, und es verstanden auch alle, dass man rauchte, eine rauchen musste , und zwar jetzt .
    Am besten verstand ich mich mit Katja. Sie war so alt wie ich und trotzdem das ganze Gegenteil von mir: klein, laut, frech und manchmal auch ziemlich launisch. Sie brachte es fertig, einem Mittagsgast mit »Na gut, wenn’s sein muss« zu antworten, wenn der sich ein zweites Spiegelei bestellte. Zum Glück hatte Frau Bock das nicht gehört.
    Katja sah unglaublich gut aus, hatte langes dunkles Haar und grüne Augen. Sie sah viel besser aus als ich, das musste ich neidlos zugeben. Dass sie das immer so energisch bestritt, machte sie nur noch sympathischer.
    Einmal, als ich frühmorgens auf die Terrasse kam, um langsam mit dem Eindecken der Tische zu beginnen, lehnten sich Jens, Katja, Tim und Sara über das Geländer und hielten sich die Bäuche vor Lachen. Ich traute meinen Augen nicht: Sie waren tatsächlich damit beschäftigt, Eier auf die gegenüberliegende Fassade zu werfen, quer über die Straße, mit dem Ziel, eines der Büros zu treffen, in denen man tagsüber die Angestellten einer Bank beobachten konnte.
    Wenn sie jemand dabei erwischt hätte, wäre es für uns alle das Aus gewesen. Trotzdem faszinierte mich ihr sinnloses Tun. Sollte doch einer kommen und sich beschweren! Letztendlich nahm ich auch ein Ei in die Hand. Erst fand ich es albern und verkehrt, machte mir Sorgen, dass gleich Frau Bock hinter mir stehen würde. Aber dann war ich mehr darum besorgt, nicht weit genug zu werfen und am Ende doch noch einen Passanten unten auf dem
Bürgersteig abzuschießen. Das Ei flog und flog und stürzte der Straße entgegen, bis es in letzter Sekunde im ersten Stock des Bankgebäudes gegen ein Fenster klatschte. Volltreffer.
    Die anderen johlten. Jens schlug mir kameradschaftlich auf die Schulter, und ich strahlte vor Stolz. Mit dem Eierwurf hatte ich nun auch den Respekt der Jungs erlangt. Wir waren nun nicht mehr die drei Mädels und die beiden Jungs, sondern die fünf Azubis. Wir sind bis heute gute Freunde.
    Es flogen nicht nur Eier von der Terrasse, es klatschte auch schon mal eine Tomate oder ein Pfannenheber an die Küchenwand. Mein Handy habe ich einmal so heftig auf den Boden geworfen, dass ich es in Einzelteilen und mit Totalschaden zusammensuchen musste. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht einer von uns vor Wut und Verzweiflung die Nerven verlor. Wir hatten keine Chance, das, was wir schaffen mussten, auch wirklich zu schaffen. Niemand kann fünfzig Personen alleine abfertigen. Niemand kann wochenlang ohne Pause um halb vier aufstehen, ohne irgendwann vor Müdigkeit verrückt zu werden. Niemand kann gleichzeitig Eier für vierzig Personen braten und Kaffee kochen und Äpfel schneiden und Teller waschen. Also versuchten wir so gut es ging, einander zu helfen, verlängerten unsere Schichten, wenn die anderen nicht zurechtkamen, und nahmen uns manchmal einfach nur tröstend in den
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