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Torso

Torso

Titel: Torso
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Videoclip. Elin trat einen Schritt zurück. Es war Eric! Eric neben einem Fenster. Dem Fenster dieses Zimmers. Er lachte in die Kamera. Dann streckte er die Zunge heraus.
    »Nein, verdammt, dieser Arsch …«
    Max drückte so schnell er konnte eine Tastenkombination. Aber es war zu spät. Das Display wurde grau, dann weiß und schließlich schwarz. Max versuchte sofort, das Gerät wieder hochzufahren. Doch es gab keinen Mucks mehr von sich.
    Elin war blass geworden.
    »Sorry«, sagte Max, »aber das war eine Falle. Das konnte ich nicht wissen.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich weiß nicht, was passiert ist. Es ist irgendein Sicherungssystem, das ich nicht kenne. Die Platten sind vollgepackt mit Daten. Aber um sie zu lesen, muss man die Dateien verknüpfen. Vermutlich gibt es dafür eine vorgeschriebene Reihenfolge. Wenn man die nicht einhält, stürzt das System ab. Vielleicht aktiviert so ein Absturz auch noch irgendwelche Programme, die die Daten zerstören. Keine Ahnung.«
    Elin wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »War das dein Bruder auf dem Video?«
    Elin nickte.
    »Kinderbilder hätte er wohl nicht so aufwendig geschützt.«
    »Gibt es keine Möglichkeit, so einen Schutz zu knacken?«
    »Sicher. Man kann alles knacken. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Rechenleistung.«
    »Wie lange kann so etwas dauern?«
    »Kommt auf die Verschlüsselung an.«
    »Und das heißt?«
    »Es kann ein paar Tage dauern oder ein Jahr. Je nachdem. Ich kann so etwas jedenfalls nicht. Mein Gott, Elin, ich dachte, du hast ein Computerproblem.«
    Elin schüttelte ungläubig den Kopf. »Ein Jahr?«
    »Sicher. Wenn du nur ein paar hundert Computer einsetzt. Mit drei oder vier Millionen geht es schneller.«
    Machte sich der Junge über sie lustig?
    »Im Netz natürlich«, ergänzte er. »Es gibt Serverparks, die man für so etwas nutzen kann. Aber echt, das ist nicht meine Liga. Sorry.«

[home]
5
    E s stank extrem nach kaltem Rauch. Der Gesichtsausdruck von Sina, der passionierten Nichtraucherin, war dafür ein unfehlbarer Gradmesser. Missbilligende Falten bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie das alte Fabrikgebäude durch einen schmalen Eingang betraten. Zwei Polizeibeamte erwarteten sie. Sie lehnten am Tresen einer Garderobe, welche die Hälfte der riesigen Eingangshalle in Anspruch nahm. Angesichts der endlosen Reihen Kleiderständer dahinter folgerte Zollanger, dass hier offenbar Großveranstaltungen abgehalten wurden.
    Zollanger und Sina traten zur Seite, um es den anderen zu ermöglichen, aus dem engen Eingangstunnel nun gleichfalls in die Eingangshalle einzutreten. Die Polizeibeamten kamen auf sie zu. Zollanger stellte sein Team vor.
    »Wir sollen Sie hinbringen«, sagte einer der beiden Polizisten. »Es ist hinten.«
    »Wir warten noch auf die Kollegen von der Gerichtsmedizin«, sagte Zollanger.
    »Gut«, sagte der ältere der beiden. »Dann bleibt mein Kollege mit einem Ihrer Kollegen hier.«
    »Roland«, sagte Zollanger zu Draeger. Der nickte nur.
    Der Rest des Teams setzte sich in Gang. Sie gingen durch die Eingangshalle, die Köpfe leicht in den Nacken gelegt, als durchquerten sie das Hauptschiff einer Kirche. Die Decke war enorm hoch. Acht bis zehn Meter, schätzte Zollanger. Das Imposante daran war allerdings nicht allein die Höhe, sondern die Bemalung. Zollanger fühlte sich an Darstellungen erinnert, die er einmal in einem Buch gesehen hatte. Dort waren die ineinander verschlungenen Körper allerdings aus Stein gewesen und nicht in prallen Farben ausgemalt wie hier. Außerdem sahen die glückselig oder ekstatisch verzerrten Gesichter der kopulierenden Paare oder Gruppen über ihnen europäisch aus und nicht asiatisch. Und noch etwas war anders. Zollanger kam erst darauf, als sie bereits die nächste Halle betraten: Es waren keine Frauen auf den Bildern zu sehen.
    »Weiß vielleicht jemand, was hier früher produziert wurde?«, fragte Udo Brenner. »Oder wozu braucht man solche Räume?«
    Die Frage hatte sich Zollanger auch gerade gestellt, denn die Halle, die sie jetzt betraten, war schlechterdings gigantisch. Vier Betonpfeiler trugen eine Dachkonstruktion aus Drahtglas, die gut und gern zwanzig Meter über ihren Köpfen schwebte. Sie war allerdings nur teilweise zu sehen, da zwei über Stahltreppen verbundene und zueinander versetzte Ebenen eingezogen worden waren. Lange schwarze Stoffbahnen bildeten hier und da Sichtblenden oder regelrechte Gänge und Tunnel.
    »Sieht aus wie ein Theater«, bemerkte Sina.
    Sie
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