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Tore nach Thulien 4 : Grüfte und Katakomben (German Edition)

Tore nach Thulien 4 : Grüfte und Katakomben (German Edition)

Titel: Tore nach Thulien 4 : Grüfte und Katakomben (German Edition)
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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letzten Wochen hatten sie viele Entbehrungen in Kauf nehmen müssen, und dazu gehörte auch, dass Liam seine Pflichten gegenüber Wanhold und den anderen Flüchtlingen erfüllte. Er tat es gern und wusste, wie wichtig seine Aufgabe war, doch gleichzeitig vermisste er Nalia und Ilsa. Vor allem die schrecklichen Geschehnisse im Dorf und die ständige Gefahr durch die Verfolger machten es ihm jedes Mal aufs Neue schwer, seine Familie zurückzulassen. Natürlich wusste er sie bei Wanhold und den anderen gut beschützt, doch die Instinkte des Ehemanns und Vaters ließen ihn immer wieder zögern.
          Der Ritt dauerte für ihn diesmal ganz besonders lang, denn in Gedanken war er stets bei seinen Liebsten. Hinter jeder Wegbiegung, Kuppe oder Anhöhe hoffte er sie zu entdecken, und je öfter er enttäuscht wurde, umso stärker wuchs die Vorfreude. Ein halber Tag hatte bei ihrem überhasteten Aufbruch aus der Senke zwischen ihnen gelegen, und wenngleich es Dank der Pferde schnell ging, so mussten selbst diese kräftigen Tiere die Entfernung erstmal überwinden. Es war später Nachmittag gewesen und jetzt stand die Dämmerung schon kurz bevor. Noch waren die Einzelheiten der Umgebung gut zu erkennen, doch schon bald würde sich das ändern. Die Schatten wurden länger und das Licht nahm langsam aber stetig ab.
          Liam ritt am hinteren Ende des kleinen Trupps und hing seinen Gedanken nach. Vor ihnen lag ein kleines Wäldchen und der Weg nach Leuenburg führte direkt hindurch. Am Saum der Bäume parierte Gerling sein Pferd plötzlich durch und holte ihn damit unsanft ins Hier und Jetzt zurück. Zwei Bewaffnete stellten sich ihnen entgegen. Liam erkannte sie sofort als Männer des Flüchtlingstrupps und atmete auf. Eine Nachhut war mittlerweile nichts besonders mehr und gehörte inzwischen zu den normalen, alltäglichen Aufgaben. Liam nickte grüßend und sah angestrengt nach vorne. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein.
          Müde, aber glücklich passierten sie die Wachen und ritten noch ein Stückchen in das Zwielicht des Waldes. Es roch nach Harz und Tannennadeln, und irgendwo schlug ein Specht auf der Suche nach Nahrung hämmernd in die Stämme. Liam drückte seinem Pferd die Hacken in die Flanken. Er wollte nicht mehr warten. Mit einem Schnauben setzte sich die Stute vor Fernlugs Braunen und preschte an Gerling vorbei. Dumpf donnerten die Hufe in einem letzten Galopp auf den weichen Waldboden. Auf einmal machte der Pfad einen Knick nach links und endlich sah er, wonach er schon den ganzen Nachmittag Ausschau gehalten hatte.
          Das Lager befand sich auf einer kleinen Lichtung. Die schimmernden Strahlen der untergehenden Sonne fanden hier noch ihren Weg auf die Erde Thuliens und tauchten den Ort in ein mildes, wohliges Licht. Kleine, schneeflockenähnliche Blütenpollen schwebten umher, umspielten schwerelos die leuchtenden Finger und verschwanden danach im grauen Einerlei der Bäume. Dazwischen arbeiteten Menschen, hauptsächlich Frauen, eifrig an einem Nachtlager. Zwei Feuerstellen brannten bereits, und dahinter warteten einige gut gemeinte, aber eher notdürftig aus Decken, Reisig und kleinen Zweigen errichtete, Schlafgelegenheiten auf ihre fröstelnden Gäste. Liam mochte was er sah, und zum ersten Mal seit ihrer Flucht über den Sensenkamm fühlte er sich wieder so etwas wie heimisch. Im Grunde gab es hier nichts, gleichzeitig aber auch unermesslich viel. Es kam, wie immer eigentlich, nur darauf an, was man aus dem Wenigen, das man besaß, machte. Und gerade jetzt machten alle, ohne Ausnahme, unglaublich viel. Jeder packte mit an und war sich für nichts zu schade. Gemeinsam versuchten sie, aus der Situation das Beste herauszuholen und die ersten Früchte konnte man hier sehen. Wenngleich sie nur aus Hoffnung und dem Glauben an den guten Ausgang ihrer Geschichte bestanden.
          Noch im Reiten ließ sich Liam aus dem Sattel rutschen und suchte Ilsa und Nalia. Die angenehme, beinahe schon familiäre Stimmung im Lager verstärkte seine Sehnsucht noch. Rasch ging sein Blick hierhin und dorthin. Plötzlich schlangen sich von hinten zwei Arme um seine Brust und drückten zu. Sofort spürte er die Wärme eines wohlbekannten, zarten Oberkörpers im Rücken und er drehte sich um. Mit einem Lächeln begrüßte er seine Frau und gab ihr einen Kuss. Er genoss das weiche Gefühl und den Geschmack ihrer Lippen, und vergaß für einen kurzen Moment sogar die Sorgen seines letzten Auftrages. Er war
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