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Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)

Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)

Titel: Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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beobachten.
          Die Zeit verging quälend langsam. Der Regen hatte aufgehört und das Grau in Grau des Tages war dem schwarzen Leichentuch der Nacht gewichen. Alles lag still da, war doch die letzte Stunde vor Sonnenaufgang immer die ruhigste. Man könnte meinen, der angehende Tag hole vor seinem Beginn nochmals tief Luft, um dann umso frischer und strahlender durch das Dunkel der Nacht zu brechen. Es würde bald zu dämmern beginnen und noch immer lag der Skorpion in seinem Versteck und rührte sich nicht. Der Mondschatten des großen Hauses überragte die komplette Gasse und von der Sonne war noch nichts zu sehen. Es war ein großes Lagerhaus, in dessen Windschatten sich der Skorpion versteckt hielt. Lange hatte sie beobachtet, und nach und nach kam sie zu dem Schluss, dass er irgendwo in der Nähe des Eingangs seinen Unterschlupf hatte. Sicherlich gab es auch noch andere Möglichkeiten, doch keine war so gut wie jene, in der Shachin den Skorpion vermutete. Jetzt reduzierte sich alles auf die Geduld. Abwarten und im richtigen Moment zuschlagen. Er musste sich vollkommen sicher fühlen, nur dann war ein Erfolg garantiert. Shachin kannte derartige Situationen und wusste genau, dass man der inneren Stimme, so weise und vernünftig sie auch klingen mochte, nicht nachgeben durfte. Er war noch da, ganz sicher. Und mit ihm die Chance für Shachin, das Kräftegleichgewicht wieder etwas zu ihren Gunsten zu verschieben. Dann kam er endlich, der Moment zum Losschlagen. Shachin erhob sich aus ihrem Versteck und glitt lautlos auf die andere Seite der Gasse. Kein Geräusch und auch kein Schattenspiel verrieten ihre Bewegungen und dennoch, plötzlich rührte sich etwas dicht vor ihr. Sie hielt den Atem an, der Dolch lag schon wie von selbst in ihrer Hand. Der Skorpion bewegte sich. Er verließ sein Versteck. Shachin konnte ihn jetzt im fahlen Dämmerlicht gut erkennen und heftete sich sofort an seine Fersen. Nun musste es schnell gehen. Mit ein paar großen Schritten war sie fast an ihn heran, als der Skorpion plötzlich eine kleine Seitentür des Lagerhauses öffnete und darin verschwand. Leicht irritiert verfolgte Shachin unmittelbar hinter ihm kommend das Ganze, und ohne lang zu überlegen, huschte auch sie lautlos durch die Tür.
          Im Lagerhaus war es dunkel. Keine Fackeln oder Öllampen brannten und nur durch kleine Ritzen in den Holzwänden drang diffuses Licht von außen. Irgendwo weiter vorne erkannte Shachin auf einmal ein kleines, flackerndes Licht. Sie ging in die Hocke. Plötzlich hallten Rufe durch die weiten Flure und eine haushohe Stichflamme fauchte empor. Stahl blitzte im Zwielicht auf und Shachin reagierte instinktiv. Im nächsten Moment brach die Hölle los.
     

Überfall bei Nacht
     
     
    Taris war zufrieden. Gerade hatte er seinen abendlichen Rundgang durch die Garnison beendet. Das Tor, das sonst nur in Kriegszeiten verschlossen wurde, hatte er schließen lassen. Die Wachen dort und im Innenhof waren verdoppelt worden und auch vor der Vorratskammer standen zwei Posten. Alles in allem waren sie gut vorbereitet und jetzt zum Warten verdammt. Wann und ob überhaupt wieder ein Anschlag auf die Garnison erfolgen würde, wusste Taris nicht. Überraschen konnte man sie nun jedenfalls nicht mehr. Nachdem Leutnant Tristan und einige seiner besten Männer gegangen waren, hatte er noch lange über dessen Vorschlag nachgedacht. Ungefährlich war der Plan nicht, doch eine gute Möglichkeit, die Attentäter zu fassen. Vorausgesetzt, sie wussten von der bevorstehenden Lieferung an die Garnison. Das Lagerhaus befand sich in Fuhrheim und war erst heute mit neuer Ware befüllt worden. Ein Teil davon sollte morgen zur Garnison gebracht werden. Wenn die Attentäter einen weiteren Versuch starten wollten, dann jetzt oder spätestens morgen früh. Natürlich konnte Taris nicht jede Nacht Wachen im Lagerhaus postieren, doch zumindest einen Versuch war es wert.
          Müde trat Taris an den kleinen Wandaltar, den er zu Ehren der Herrin im Schlafzimmer neben dem Büro errichtet hatte. Er ließ sich auf die Knie fallen, faltete die Hände ineinander und schloss die Augen. Die letzten Augenblicke eines Tages gehörten, genauso wie die ersten, immer der Herrin. Taris war ein frommer Mann und hielt sich so gut es ging an die Gebote und Gepflogenheiten eines guten Gläubigen. Schon als Kind hatten ihn seine Eltern auf den Pfad der Herrin gebracht und seitdem hatte er ihn nicht mehr verlassen. Zweifel an seinem
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