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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung
Autoren: Julie Kagawa
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Betritt man heutzutage ein Gebäude, hört man stets das Ächzen und Quietschen über sich; es können noch Jahrzehnte bis zum Einsturz vergehen oder nur wenige Sekunden.
    Die Stadt fällt auseinander. Jeder Saumbewohner weiß das, aber man denkt besser nicht darüber nach. Wozu soll man sich den Kopf über etwas zerbrechen, was man doch nicht ändern kann?
    Ich zerbrach mir den Kopf vor allem darüber, den Vampiren aus dem Weg zu gehen, nicht erwischt zu werden und genug Essen zu beschaffen, um den nächsten Tag zu überstehen.
    Manchmal erforderte das, so wie heute, drastische Maßnahmen. Was ich vorhatte, war hochriskant und verdammt gefährlich. Aber wer das Risiko scheut, lebt sicher nicht als Unregistrierter, richtig?
    Der Saum war in verschiedene Gebiete aufgeteilt, die wir als Sektoren bezeichneten, jeder säuberlich eingezäunt, damit der Waren- und Menschenfluss kontrolliert werden konnte. Wieder eine Maßnahme »zu unserem Schutz«. Nennt es wie ihr wollt: Ein Käfig ist und bleibt ein Käfig. Meines Wissens nach gab es fünf oder sechs Sektoren, die sich in einem lockeren Halbkreis um die Innere Stadt zogen. Wir lebten in Sektor 4. Hätte ich ein Registrierungsmal, würde der Scanner Folgendes auslesen: Allison Sekemoto, Anwohnernummer 7229, Sektor 4, New Covington. Eigentum von Prinz Salazar. Technisch gesehen gehörte jeder Mensch in dieser Stadt dem Prinzen, aber seine Obersten verfügten auch über eigene Harems und Leibeigene – also Blutsklaven. Die Saumbewohner hingegen, zumindest die Registrierten unter ihnen, waren »öffentliches Eigentum«. Was nichts anderes hieß, als dass jeder Vampir mit ihnen tun konnte, was immer ihm beliebte.
    Hier im Saum schien sich niemand an den Brandzeichen zu stören. Nate, eine der Aushilfen in Hurleys Tauschladen, versuchte ständig, mich dazu zu überreden, dass ich mich registrieren ließ. Er behauptete immer, das Tätowieren tue gar nicht so weh und die Sache mit dem Aderlass wäre auch nicht so schlimm, wenn man sich erst daran gewöhnt habe. Für ihn war es völlig unverständlich, warum ich mich so stur stellte. Dabei sagte ich ihm deutlich, dass weder die Erfassung durch den Scanner noch die Blutabzapferei diesen Widerwillen in mir auslösten.
    Es war der Aspekt »Eigentum von«, der mir so gegen den Strich ging. Ich war niemandes Eigentum. Wenn die verdammten Blutsauger mich haben wollten, mussten sie mich erstmal erwischen. Und ich würde es ihnen bestimmt nicht leicht machen.
    Die Abgrenzungen zwischen den Sektoren waren simpel: Maschendrahtzaun mit Stacheldraht obendrauf. Diese eisernen Vorhänge erstreckten sich kilometerweit und waren nicht besonders gut bewacht. Nur an den Toren, durch die regelmäßig die Laster mit den Essenslieferungen kamen und in die Innere Stadt zurückkehrten, standen Wachposten, sonst nirgends. Eigentlich war es den Vampiren egal, ob ihr Vieh zwischen den Sektoren hin und her pendelte oder nicht. Den Großteil ihrer tödlichen Schlagkraft verwendeten sie darauf, die Äußere Mauer zu beschützen, und das jede Nacht aufs Neue.
    Zugegeben, die Äußere Mauer war wirklich beeindruckend. Dieses hässliche, zwei Meter dicke Monstrum aus Eisen, Stahl und Beton ragte zehn Meter hoch am Rand des Saums auf und umschloss die gesamte Stadt. Es existierte nur eine einzige Öffnung, ein Doppeltor aus massivem Eisen, das von innen mit so schweren Stahlriegeln verschlossen war, dass sie nur von drei Männern gleichzeitig angehoben werden konnten. Zwar befand sich das Tor nicht in meinem Sektor, aber während eines ausgedehnten Beutezugs hatte ich einmal gesehen, wie es geöffnet wurde. Im Abstand von jeweils fünfzig Metern waren Scheinwerfer an der Mauer befestigt, die wie gigantische Augen den Boden absuchten. Direkt hinter der Mauer lag die »Todeszone«, ein lebloser Streifen Land voller Stacheldraht, Gräben, Fallgruben und Minen, die alle nur einem einzigen Zweck dienten: die Verseuchten von der Mauer fernzuhalten.
    Überall in New Covington fürchtete und hasste man die Äußere Mauer, da sie uns immer daran erinnerte, dass wir hier drin eingepfercht waren wie die Schafe. Gleichzeitig brachte man ihr aber auch Verehrung entgegen. In den Ruinen außerhalb der Stadt konnte niemand überleben, vor allem nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Selbst die Vampire betraten die Ruinen nur höchst ungern. Jenseits der Mauer gehörte die Nacht den Verseuchten. Niemand, der noch bei Verstand war, überquerte die Äußere Mauer, und wer es
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